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036 Rippenziste

Vom Trinkgeschirr zur Urne – Recycling in der Eisenzeit

Eine fragmentierte Rippenziste aus Bronze, die wie ein Eimer aussieht.

© LWL/Stefan Brentführer

Rippenziste

Fundort

Porta Westfalica-Barkhausen

Kreis Minden-Lübbecke


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: 13. Juli 2009


Objekt

Material: Bronze

Höhe: 16,8 cm

Durchmesser: 25,0 cm


Datierung 

6. Jahrhundert v. Chr.

530–400 v. Chr.

Epoche: Mittlere Eisenzeit


Import

Herstellungsregion: Tessin (Norditalien)

Herstellungszeit: 2. Hälfte 6. Jahrhundert v. Chr.

Vom Trinkgeschirr zur Urne – Recycling in der Eisenzeit

Repariert, geflickt und umgearbeitet – diesem Gefäß sieht man an, dass es in seiner langen Nutzungszeit viel erlebt hat, bevor es letztendlich zweckentfremdet bei Porta Westfalica in die Erde kam, wo es fast 2500 Jahre im Boden überdauerte.

Hergestellt wurde die Originalteile dieses kleine Bronzeeimers zwischen 530 und 500 v. Chr. von spezialisierten Handwerkern in norditalienischen Werkstätten. Dafür verwendeten sie glatte, hauchdünne, goldglänzende Bronzebleche, aus denen sie kunstvoll mit Punzen verzierte Rippen trieben, weshalb diese Eimer als Rippenzisten bezeichnet werden. Kupferhaltige Niete, mit denen der Gefäßkörper zusammengehalten wurde, verliehen ihnen eine glänzende Mehrfarbigkeit. Der Boden wurde anschließend handwerklich aufwendig an den Wandteil gebördelt.

Beim Auffinden war der Glanz der Rippenziste längst vergangen: grün korrodiert, unansehnlich und in mehr als 450 Fragmente zerdrückt. Nun bedurfte es der Restaurierungskunst, die erstaunliche Erkenntnisse lieferte. Im Inneren fanden sich Birkenrindenreste, die auf einen Verschluss des Gefäßes hindeuten. Einzigartig ist aber die Reparaturgeschichte des kleinen Gefäßes, bei der Teile von mindestens zwei verschiedenen Rippenzisten durch einheimische Handwerker zusammengefügt worden waren. Der Boden stammt von einem größeren Eimer mit mindestens 25 cm und der Zylinder von einem kleineren mit 21 cm Durchmesser. Die ursprünglich kunstvoll gebördelte Verbindung beider Elemente wurde durch einfache Klammern ersetzt. Mehrfach wurden der Boden mit Altmetall geflickt und die Halterungen für die Henkel erneuert. Die originalen Bronzehenkel tauschte man zudem gegen solche aus Eisen aus. Dies alles repräsentiert zahlreiche Reparaturen zu unterschiedlichen Zeiten durch verschiedene Handwerker. Sie zeigen, wie bemüht die Eigentümer über Jahrzehnte hinweg waren, zumindest eines der wertvollen Luxusgefäße zu erhalten.

Die sehr wohlhabende Kundschaft in Süddeutschland und im Alpenraum erstand ganze Sätze dieser Luxusgefäße und nutzte sie als Trinkgeschirr. Oft endeten sie auch als Grabbeigaben in reichen Bestattungen, in einem Grab in Baden-Württemberg kamen gleich neun solcher Rippenzisten zum Vorschein. In den Norden Deutschlands gelangten diese Gefäße aber nur selten. Unser Exemplar aus Barkhausen wurde in einem dicht belegten eisenzeitlichen Gräberfeld entdeckt. Es war aber keine Beigabe, sondern wurde als Urne für einen 50- bis 60-jährigen Mann genutzt. Wer war der Mann, dem seine Hinterbliebenen die Ehre erwiesen, ihn in diesem lange gehüteten Luxusgefäß zu bestatten? Wir werden es wohl nie erfahren.

Hannelore Kröger, Eugen Müsch

Museum

Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Rolf Dehn/Markus Egg/Rüdiger Lehnert, Zum hallstattzeitlichen Fürstengrab im Hügel 3 von Kappel-Grafenhausen (Ortenaukreis) in Baden. Archäologische Nachrichten aus Baden 67, 2003, 15–27.

Hannelore Kröger/Eugen Müsch, Wertvoll – die Rippenziste aus Porta Westfalica-Barkhausen. Archäologie in Westfalen-Lippe 2010, 2011, 265–268.

Berta Stjernquist, Ciste a Cordoni (Rippenzisten). Produktion, Funktion, Diffusion. Acta Archaeologica Lundensia Ser. 4 Nr. 6 (Lund 1976).

Klemens Wilhelmi, Rippenzisten aus dem Gebiet zwischen Rhein und Weser. Archäologisches Korrespondenzblatt 6, 1976, 293–297.