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078 Schachfigur

Der Erzbischof – vom Schachbrett in den Brandschutt

Schachfigur, Erzbischof

Fundort

Detmold-Berlebeck, Falkenburg

Kreis Lippe


Fundumstände

Kontext: Burg

Datum: 2011


Objekt

Material: Rinderknochen

Breite: max. 2,9 cm

Höhe: max. 10,1 cm


Datierung 

spätes 12. Jahrhundert bis 2. Viertel 13. Jahrhundert

Epoche: Hochmittelalter

Herrschergeschlecht: Staufer

Stilepoche: Romanik


Import

Herstellungsort: Köln

Herstellungszeit: spätes 12. Jahrhundert

Der Erzbischof – vom Schachbrett in den Brandschutt

Das Bedürfnis »zu spielen« hat die Menschheit in sämtlichen Epochen ihrer Geschichte begleitet. Das Spielen trägt vor allem zum Vergnügen sowie zur Entwicklung wesentlicher Fähigkeiten motorischer und kognitiver Natur bei. Es steht aber auch immer wieder das damit verbundene Erlernen sozialer Kompetenzen im Mittelpunkt.

Auch im Mittelalter, dem im Gegensatz zur Antike von der Geschichtswissenschaft in der Vergangenheit immer eine gewisse »Spielfeindlichkeit« nachgesagt wurde, war dies nicht anders – im Gegenteil. Zwar finden sich in dieser Epoche immer wieder explizite Spielverbote, doch betrafen diese in erster Linie das Glücksspiel. Spielen war alltäglich und selbst den Männern und Frauen der Kirche erlaubt.

Die im Mittelalter beliebten Brettspiele, etwa Wurfzabel oder Schach, bilden dabei keine Ausnahme. Wurfzabel, im weiteren Sinne dem heutigen Backgammon entsprechend, ist in Westfalen durch den Fund von unterschiedlich stark dekorierten Spielsteinen gleich mehrfach nachgewiesen. Sie entstammen sowohl dem bürgerlichen als auch dem klösterlichen Milieu, fanden sich aber vor allem auf Herrenhöfen und Burgen, wie etwa der Falkenburg bei Detmold-Berlebeck.

Hin und wieder treten Funde zutage, die dem Schachspiel zuzuordnen sind. Der Zufall will es, dass dieser Nachweis ebenfalls auf der Falkenburg erbracht werden konnte. Dies geschah u.a. mit dem Fund einer äußerst fein gearbeiteten Schachfigur, welche im Brandschutt einer Kellerverfüllung entdeckt wurde. Die vollplastische Figur, geschnitzt aus dem Mittelfußknochen eines Rindes, ist aufgrund des Ornates klar als Erzbischof zu identifizieren. Besonderes Augenmerk legte der Schnitzer auf die differenzierte Darstellung der Gewänder durch die Betonung der verschiedenen Gewandfalten.

Die Figur wurde aus mehreren Teilen gefertigt, leider sind einige verloren gegangen, sodass Thron, Kopf mit Mitra, Teile der rechten Brust, Hände und Bischofsstab heute fehlen. Diese Mehrteiligkeit ist eine Besonderheit, wurden hochmittelalterliche Schachfiguren doch in der Regel in einem einzigen Stück gearbeitet. Im Gegensatz zu den abstrakten Exemplaren arabischen Typs sind figürlich gestaltete Spielsteinsätze, welche die Ordnung der europäischen Ständegesellschaft widerspiegeln, äußerst selten im Fundgut vertreten.

Schachfiguren und Spielsteine stellen somit greifbare Zeugnisse der Freizeitgestaltung des Adels dar, zu der auch die Jagd und das Turnier gezählt werden können. Die damit verbundene Beschäftigung zählte zu den ritterlichen Tugenden und gehörte zum Ausbildungskanon adeliger Erziehung – aber auch zu einer standesgemäßen Lebensweise.

Hans-Werner Peine, Kim Wegener

Weiterführende oder zitierte Literatur

David H. Caldwell/Mark A. Hall/Caroline M. Wilkinson, The Lewis Hoard of Gaming Pieces: A Re-examination on their Context, Meanings, Discovery and Manufacture. Medieval Archaeology 53, 2009, 155–203.

Antje Kluge-Pinsker, Schachspiel und Trictrac. Zeugnisse mittelalterlicher Spielfreude in salischer Zeit (Sigmaringen 1991).

Markus Miller, Kölner Schatzbaukasten. Die große Kölner Beinschnitzwerkstatt des 12. Jahrhunderts (Mainz 1997).

Ulrich Müller, Der König in der Fremde – Schach und Hnefatafl. In: Anke Wesse (Hrsg.), Studien zur Archäologie des Ostseeraumes. Festschrift Michael Müller-Wille (Neumünster 1998) 597–606.

Hans-Werner Peine/Elke Treude, Der Erzbischof im Brandschutt: Eine Schachfigur von der Falkenburg. Archäologie in Westfalen-Lippe 2011, 2012, 132–136.

Fein geschnitzte Schachfigur im Ornat eines Erzbischofs, welchem der Kopf samt Mitra, Teile der rechten Brust, Hände und Bischofsstab fehlen.

© LWL/Stefan Brentführer