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060 Fußflasche

Franken? Westfalen? Thüringer? Sachsen mit guten Fernkontakten!

Fußflasche mit Rippenbuckeln

Fundort

Bad Salzuflen

Kreis Lippe


Fundumstände

Kontext: Gräberfeld

Datum: 1935/1936


Objekt

Material: Keramik

Höhe: 24 cm

Durchmesser: max. 21 cm


Datierung 

5. Jahrhundert

Epoche: Völkerwanderungszeit

Kultur: Germanen

Franken? Westfalen? Thüringer? Sachsen mit guten Fernkontakten!

Reiternomaden, die in Dörfer einfallen. Kilometerlange Trecks unterschiedlicher Stämme auf der Suche nach einer neuen, sicheren Heimat. Am Horizont immer wieder Rauchsäulen von brennenden Siedlungen in nunmehr menschenleeren, toten Landschaften. Dieses Bild der Völkerwanderungszeit aus Film und Belletristik wurde noch bis zu Beginn des letzten Jahrhunderts auch für den lippischen Raum als zutreffend angesehen. Doch mit dem Arbeitsbeginn der Bodendenkmalpflege im damaligen Freistaat Lippe wurde ein deutlich vielfältigeres Bild gezeichnet, das nicht von Krieg, Leid und Vertreibung, sondern von kulturellem Austausch und Kontinuität bestimmt wurde.

Einer der bedeutendsten Fundplätze für die Beantwortung der Frage, was zu Beginn der Völkerwanderungszeit in Lippe geschah, ist ein ausschnitthaft untersuchter Bestattungsplatz bei Bad Salzuflen. Für 300 Jahre, vom 2. bis ins 5. Jahrhundert n. Chr., bestatteten die Menschen hier ihre Toten in den für Ostwestfalen üblichen Brandgräbern. Dabei wurden die verbrannten Knochenreste nach der Einäscherung entweder aufgesammelt und separat beigesetzt oder mitsamt den Scheiterhaufenresten beerdigt. In einem der Gräber wurde dieses mit Rippenbuckeln verzierte, schwarze Gefäß entdeckt. Es gehört in die späte Belegungszeit des Gräberfeldes und ist von zentraler Bedeutung für die Entschlüsselung des damaligen Bevölkerungsbildes. Seine Form stammt nämlich aus dem Elbe-Weser-Dreieck, dem damaligen Kerngebiet der frühen Sachsen, und deutet daher eindeutig auf Kontakte der ortsansässigen Bevölkerung in diesen nördlich gelegenen Kulturkreis hin. Darüber hinaus zeigen das aufwendig hergestellte Gefäß und ein fein gearbeiteter goldener Anhänger aus einem Nachbargrab, dass es die Menschen, die hier ihre Toten begruben, im 5. Jahrhundert zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatten.

Die hier beschriebenen Bestattungen fallen aus dem Rahmen, weil Grabbeigaben damals eher unüblich waren. Somit könnte darauf zu schließen sein, dass es sich bei der Bestattung mit dem Gefäß, aber auch bei jener mit dem Goldschmuck, um höher gestellte Personen handelte. Vielleicht sind hier die Vorfahren der lokalen Eliten zu fassen, die Ende des 8. Jahrhunderts Karl dem Großen Kopfzerbrechen bereiteten.

Weitere Funde von anderen Plätzen beweisen zwar, dass ebenso Kontakte in die fränkisch oder thüringisch geprägten Regionen im Westen und Osten bestanden. In der Tendenz ist aber aufgrund der Anzahl der Funde davon auszugehen, dass vor allem sächsische Einwanderer während des 5. Jahrhunderts in den lippischen Raum kamen, wenn auch in relativ geringer Zahl. Vorherrschend war daher wie auch zuvor in der Eisenzeit der Austausch von Waren und damit sicher auch der von Gedanken.

Johannes Müller-Kissing

Weiterführende oder zitierte Literatur

Daniel Bérenger, Frühgeschichte im Lipper Land. In: Der Kreis Lippe 1 = Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 10 (Stuttgart 1985) 133–145.

Anton Doms, Sachsen und Franken. In: Der Kreis Lippe 1 = Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland 10 (Stuttgart 1985) 146–158.

Christoph Grünewald, Archäologie des frühen Mittelalters vom 5. bis zum 9. Jahrhundert in Westfalen – Ein Überblick. Archäologie in Ostwestfalen 9, 2005, 71–86.

Rainer Springhorn (Hrsg.), Lippisches Landesmuseum Detmold. Die Schausammlungen (München 2007).

Flaschenförmiges, dunkles Tongefäß mit bauchiger Mitte. Auf dem Mittelteil sitzen senkrechte Tonrippen.

© LWL/Stefan Brentführer