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047 Tischbein

Schlichtes Möbel oder ein Fall von »Tisch-Wahnsinn«?

Hölzernes Tischbein, das mit einem Löwenkopf verziert ist.

© LWL/Stefan Brentführer

Tischbein

Fundort

Bergkamen-Oberaden

Kreis Unna

 

Fundumstände

Kontext: Römisches Legionslager, Brunnen

Datum: 1982

 

Objekt

Material: Ahornholz

Länge: 57,5 cm

Breite: 9,5 cm

 

Datierung

11–8/7 v. Chr.

Epoche: Frühe römische Kaiserzeit

Kultur: Römisch

Schlichtes Möbel oder ein Fall von »Tisch-Wahnsinn«?

Die Römer hinterließen ihren Feinden mit Tierkadavern und Exkrementen vergiftete Brunnen, als sie ihr Truppenlager in Oberaden nach dem Ende der Drususfeldzüge 8 v. Chr. aufgaben. In einen dieser zahlreichen Brunnen geriet bei der systematischen Räumung auch ein sorgfältig geschnitztes Tischbein aus Holz. Diesem Umstand ist seine Erhaltung zu verdanken, denn die Lagerung tief im lehmigen Boden und der hohe Grundwasserspiegel sorgten für ungewöhnlich gute Überlieferungsbedingungen für ein Material, das einen Zeitraum von gut 2000 Jahren in der Regel nicht überdauert. Dementsprechend selten sind Holzfunde aus der Römerzeit in Westfalen, erst recht solche von Möbeln.

Das Stück gehörte zu einem dreibeinigen runden Tisch, der ursprünglich wohl in einem Triklinium, in einem Speisezimmer, gestanden hat. Löste man die Steckverbindung, durch die das Bein mit der Unterseite des Tisches verbunden war, hatte man das Möbel schnell für einen platzsparenden Transport zerlegt. Die feine Schnitzarbeit zeigt einen Löwenkopf mit aufgerissenem Maul und lässt das Tischbein als Pranke des Tieres enden. Überall, vor allem aber in den tiefen Einschnitten der Löwenmähne, sind Reste einer roten Farbe erhalten. Vielleicht war der Tisch einst bemalt, aber auch eine Blattgoldauflage ist denkbar. Plinius der Ältere empfiehlt für das Vergolden von Holz einen Untergrund aus einem feinen, aufwendig vorbereiteten, geleimten Ton, auf dem das Blattgold gut haftete. Und eben dieser Poliment genannte Untergrund war oft rot. 

Luxuriöses Mobiliar wirkt in einem römischen Militärlager, angelegt in Zeiten schwerster kriegerischer Auseinandersetzungen, auf den ersten Blick befremdlich. Es passt aber zu den in Oberaden nachgewiesenen großzügigen Villen mit Gartenanlagen. Ein architektonisches Umfeld, das selbst den Ansprüchen eines Drusus genügt haben dürfte – schließlich war der Mann, der das Kommando bei den frühen Vorstößen der Römer entlang der Lippe in das germanische Gebiet östlich des Rheins führte, kein Geringerer als der Stiefsohn des Kaisers Augustus.

Unbestritten bleibt, dass die Römer enormen Aufwand mit ihren Tischen betrieben. Teure Stücke waren für Männer der Ausweis von Reichtum, manchmal sogar von Luxus. Plinius der Ältere spricht gar von der mensarum insania,dem»Tisch-Wahnsinn«. So wurden für besonders schön gemaserte Tischplatten aus Zitrusholz bester Qualität gigantische Summen bezahlt. Und auch bei derartigen Tischen waren die Beine in der Regel aus Ahornholz. Da die Platte des Oberadener Möbels aber nicht erhalten ist, erübrigt sich jede weitere Spekulation, ob eine solche Kostbarkeit ihren Weg nach Westfalen gefunden hat. 

Renate Wiechers

Museum

LWL-Römermuseum, Haltern am See

Weiterführende oder zitierte Literatur

Johann-Sebastian Kühlborn, Hölzernes Tischbein. In: Antikenmuseum Berlin (Hrsg.), Kaiser Augustus und die verlorene Republik. Ausstellungskatalog Berlin (Berlin 1988) 592–593. 

Johann-Sebastian Kühlborn, Das Römerlager in Oberaden III. Bodenaltertümer Westfalens 27 (Münster 1992) 171–172, Kat. Nr. 285 und Taf. 52.

Caius Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde. Buch XIII. Lateinisch-Deutsch. Botanik. Bäume. Herausgegeben und übersetzt von Roderich König (München/Zürich 1977).

Caius Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde. Buch XXXIII. Lateinisch-Deutsch. Metallurgie. Herausgegeben und übersetzt von Roderich König (München/Zürich 1984).

Caius Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde. Buch XXXV. Lateinisch-Deutsch. Farben. Malerei. Plastik. Herausgegeben und übersetzt von Roderich König (München/Zürich 1984).