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001 Faustkeil

Steinzeitliche Hightech: der älteste Fund Westfalens

Faustkeil

Fundort

Bad Salzuflen

Kreis Lippe


Fundumstände

Kontext: Einzelfund

Datum: 1997


Objekt

Material: Kieselschiefer

Länge: 15,0 cm

Breite: 8,6 cm


Datierung 

ca. 300.000 Jahre

Epoche: Altpaläolithikum

Kultur: Aus dem Umfeld des Homo heidelbergensis

Steinzeitliche Hightech: der älteste Fund Westfalens

Der Faustkeil ist das erste durch komplexe Bearbeitung entstandene Werkzeug der Menschheitsgeschichte. Erfunden wurde dieses Allzweck-Gerät vor fast zwei Millionen Jahren in Afrika. Als die frühen Menschen sich von dort nach Asien und Europa ausbreiteten, nahmen sie auch ihr Wissen über die Technik der Geräteherstellung mit. Das mediterrane Europa mit ganz ähnlichen Landschaftsverhältnissen wie in den afrikanischen Savannen besiedelten sie schon vor ca. 1,4 Millionen Jahren. Dagegen scheint das nördlichere Europa, das nicht nur von Jahreszeiten, sondern auch von ständigen Klimawechseln während des Eiszeitalters geprägt war, erst vor ca. 700.000 Jahren ein akzeptabler Lebensraum gewesen zu sein. 

Ein Faustkeil ist auch der älteste Fund in Westfalen: Das Exemplar aus Bad Salzuflen dürfte aufgrund der Fundumstände 300.000 Jahre, wenn nicht sogar älter sein. Diese Periode war entweder das Ende einer Warmzeit oder schon der Beginn einer Kaltzeit mit einer jeweils charakteristischen Tier- und Pflanzenwelt. Während der Warmzeit lebten als Großwild Waldelefant, Waldnashorn, Auerochse, Wildschwein, Hirsche, Rehe sowie Wisent und Wildpferd. Die beiden letzteren Tierarten kamen auch in der Kaltzeit vor, zusammen mit Moschusochse, Wollnashorn und Rentier. Zu dieser Zeit lebte in unserer Region der aus Afrika eingewanderte »Homo heidelbergensis«, der als Vorfahre des Neandertalers gilt und unseren Faustkeil herstellte. Wir wissen nicht sicher, wie die Landschaft damals ausgesehen hat, da die Saale-Eiszeit mit einer Vergletscherung bis zur Ruhr später die Region überformte. Aber sicherlich bauten die Menschen ihre Zelte oder Hütten in Gewässernähe auf – vermutlich an einem Vorläufer des Werre-Flusses.

Faustkeile wurden zum Zerlegen der Jagdbeute benutzt, um Fleisch zu schneiden, Gelenke zu durchtrennen, Knochen zu spalten und Felle abzuschaben. Genauso gut konnte damit aber auch die Rinde von Ästen entfernt und Nüsse geknackt werden. Für einen Faustkeil wurde ein Stein- oder Feuersteinstück zurechtgeschlagen, wobei die Kanten an den Längsseiten dünn und scharf wurden. Im Lauf der Zeit wurde dieses Werkzeug immer feinteiliger ausgearbeitet, seine Form gleichmäßiger und graziler und die Bearbeitungstechnik immer anspruchsvoller. Für damalige Maßstäbe war es ein Hightech-Gerät, dessen Herstellung komplexer ist, als es scheint.

Der handgroße dunkelbraune Faustkeil von Bad Salzuflen stammt aus dem Aushubmaterial einer Baugrube und besteht aus sehr hartem und schwerem Kieselschiefer. Aufgrund der langen Lagerungszeit im Boden ist seine Oberfläche zwar an vielen Stellen abgeplatzt, als er in den Boden kam, war er aber unbeschädigt. Für seinen Besitzer war es wohl ein großer Verlust. Für die Archäologie ist er ganz sicher ein »Schatz«.

Hans-Otto Pollmann

Museum

Weiterführende oder zitierte Literatur

Jürgen Richter, Der Faustkeil von Bad Salzuflen. In: Michael Baales/Hans-Otto Pollmann/Bernhard Stapel (Hrsg.), Westfalen in der Alt- und Mittelsteinzeit (Münster 2013) S. 58.

Jürgen Richter, Bewusste geometrische Gestaltung bei Homo heidelbergensis? Arbeitsschrittanalyse bei einem Faustkeil aus Bad Salzuflen (Ostwestfalen-Lippe). Archäologisches Korrespondenzblatt 43, 2013, 1–17.

Hellgrauer Steinfaustkeil, grob dreieckige Form, oben spitz zulaufend. Auf den Flächen Bearbeitungsspuren

© LWL/Stefan Brentführer