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035 Schmuckensemble

Aufwendiger Kettenplattenschmuck – Extravaganz von der Mittelweser

Mehrere Schmuckgegenstände aus Gold, darunter Hals- und Armreifen.

© LWL/Stefan Brentführer

Mehrteiliges Schmuckensemble

Fundort

Warendorf-Milte

Kreis Warendorf


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: 1995


Objekt

Material: Bronze und Eisen, wahrscheinlich auch Bernstein (nicht erhalten)

 

Datierung 

550–450 v. Chr.

Epoche: mittlere Eisenzeit

Kultur: Nienburger Gruppe


Import

Herstellungsregion: Mittelweser

Herstellungszeit: 550–450 v. Chr.

Aufwendiger Kettenplattenschmuck – Extravaganz von der Mittelweser

Dass dies kein gewöhnliches Grabinventar war, wurde der archäologischen Grabungsmannschaft schnell klar, als zwischen den Knochenresten einer Brandbestattung zahlreiche verschmorte Bronze- und Eisenfragmente zutage kamen. In der Restaurierungswerkstatt der LWL-Archäologie gelang es in mühevoller Kleinarbeit, die auf dem Scheiterhaufen verbrannten Bruchstücke als Reste eines mehrteiligen Schmuckensembles zu identifizieren. Es bestand aus zwei Ohrringen, einem Armring und zwei Halsringen mit Rillenverzierung, von denen einer zusätzlich zwei aufgeschobene Bronzehülsen und einen aufwendig gefertigten Kettenplattenschmuck aus Bronze und Eisen hielt.

Es ist dem Archäologen Hartmut Polenz und der Goldschmiedemeisterin Ulrike Bunte zu verdanken, dass es in diesem Fall nicht nur bei der Erhaltung des zugegebenermaßen wenig ansehnlichen Ist-Zustandes der Überreste blieb, sondern – nach intensiven Recherchen – ein möglichst authentischer Nachbau in Angriff genommen wurde. Erst diese maßgerechte Nacharbeitung offenbart die hohe handwerkliche Qualität des antiken Originals und die farbliche Brillanz, die die verarbeiteten Materialien Bronze, Eisen und Bernstein im Neuzustand hatten.

Aus Westfalen waren solche Schmuckgarnituren bislang nicht bekannt. Auch überregional fanden sich keine identischen Exemplare, wohl aber verwandte Ensembles mit mehr oder weniger ähnlich gestalteten Elementen. Hier führte die Spur an die Mittelweser, insbesondere in das Verbreitungsgebiet der sogenannten Nienburger Gruppe. Dort handelt es sich allerdings um Depot- und nicht um Grabfunde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in Warendorf-Milte ein weiteres Grab eindeutige Bezüge in diese Region aufweist: das Urnengrab eines etwa 30-jährigen Mannes, der in einer besonders prachtvollen, reich verzierten Henkelterrine beigesetzt wurde, die mit Sicherheit nicht vor Ort gefertigt, sondern von der Mittelweser importiert worden war.

Es ist durchaus möglich, dass nicht nur die Fundstücke, sondern auch die beiden Verstorbenen ursprünglich aus der Mittelweserregion stammten. Dabei lässt die Grabausstattung mit der Schmuckgarnitur an eine besondere gesellschaftliche Stellung der bestatteten Person denken. Überraschend war hier nicht zuletzt die anthropologische Untersuchung des Knochenbrandes, nach der es sich bei dem Bestatteten eher um einen Mann als um eine Frau gehandelt haben dürfte. Ein Umstand, der vermuten lässt, dass es sich bei derart aufwendigen Garnituren nicht allein um reine Schmuckobjekte, sondern um herrschaftliche oder priesterliche Würdeabzeichen handelt.

Jürgen Gaffrey

Museum/Archiv

Rekonstruktion: LWL-Museum für Archäologie, Herne

Original: Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Jürgen Gaffrey, Grüße aus Mittelweser – Kettenplattenschmuck und Henkelterrine in Warendorf. In: Jürgen Gaffrey/Eva Cichy/Manuel Zeiler, Westfalen in der Eisenzeit (Münster 2015) 170–171.

Hartmut Polenz, Als Eisen noch kostbar war ... Ein außergewöhnliches Schmuckensemble in einem Grab der älteren vorrömischen Eisenzeit von Milte bei Warendorf. In: Jörg Gebauer u.a. (Hrsg.), Bildergeschichte. Festschrift Klaus Stähler (Möhnesee-Wamel 2004) 407–412, Tafeln 2–3.

Hans-Günter Tuitjer, Hallstättische Einflüsse in der Nienburger Gruppe. Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Sammlung des Landesmuseums Hannover 32 (Hildesheim 1987).