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017 Flintpfeilspitzen

Der Bogenschütze vom Mühlenbach – ein einzelnes Grab aus der späten Jungsteinzeit

Mehrere kleine graue bis beigefarbene Pfeilspitzen aus Feuerstein.

© LWL/Stefan Brentführer

Pfeilspitzen

Fundort

Saerbeck-Westladbergen

Kreis Steinfurt


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: 2007


Objekt

Material: Feuerstein

Länge: 2,4–4,5 cm

Breite: 1,3–2,0 cm

Dicke: 0,4–0,6 cm

Gewicht: 1–4 g


Datierung 

2750–2400 v. Chr.

Epoche: Endneolithikum

Kultur: Einzelgrabkultur

Der Bogenschütze vom Mühlenbach – ein einzelnes Grab aus der späten Jungsteinzeit

Im letzten Abschnitt der Jungsteinzeit änderten sich die Bestattungssitten deutlich. Während in den vergangenen 1000 Jahren ganze Gemeinschaften vor allem in Großsteingräbern ihre letzte Ruhe fanden, wurden die Verstorbenen jetzt in einzelnen, ganz unterschiedlich gestalteten Gräbern beerdigt. Vermutlich spiegelt dieser Wandel einen gesellschaftlichen Umbruch wider: Durch den ganz Europa umspannenden Handel und eine verstärkte Mobilität nahm die soziale Differenzierung in den bisher weitgehend egalitären Gemeinschaften zu.

Über die Siedlungen der Einzelgrabkultur wissen wir so gut wie nichts und auch die Grabstätten sind in Westfalen mit weniger als einem Dutzend selten. So war es ein Glücksfall, als 2007 im Zuge einer eisenzeitlichen Siedlungsgrabung in Saerbeck – quasi als archäologischer Beifang – ein derartiges Grab aufgedeckt wurde. Das Grab als solches war lediglich als dunkle Bodenverfärbung im Sand erkennbar. Knochen waren nicht erhalten, doch zeichneten sich die Konturen des Bestatteten in der unteren Füllung des Grabes noch schwach ab. Dieser »Leichenschatten« zeigte, dass man den Verstorbenen in Hockstellung auf der rechten Seite liegend beigesetzt hatte. Vor seiner Brust fanden sich Scherben eines mit Fischgrätmuster verzierten Gefäßes, in dem wahrscheinlich etwas Verzehrbares beigegeben worden war. Ein 6 cm langer, scharfkantiger Feuersteinabschlag am Unterschenkel dürfte als Schneidenteil eines Messers zu interpretieren sein.

Zur Grabausstattung gehörten zudem neun Pfeilspitzen, die dicht hinter dem Kopf des Bestatteten lagen. Sie alle sind aus dem lokal zugänglichen Geschiebefeuerstein und wirken, als wären sie von einer Hand »in Serie« gefertigt worden. Ihre recht unterschiedlichen Proportionen sind auf die ungleichen Abschläge zurückzuführen, die als Werkstücke verwendet wurden. Auffällig war nicht nur die hohe Anzahl der Pfeilspitzen, sondern auch ihre annähernd gleiche Ausrichtung im Grab. Dies lässt darauf schließen, dass komplette Pfeile, wahrscheinlich in einem Köcher, beigegeben worden waren. Gut vorstellbar, dass ursprünglich auch ein Bogen zur Grabausstattung gehörte – aufgrund der ungünstigen Bodenverhältnisse waren aber Pfeilschäfte, Köcher und Bogen nicht nachzuweisen.

Hinweise auf eine Bewaffnung mit Pfeil und Bogen sind in Gräbern der Jungsteinzeit keineswegs häufig und beschränken sich meist auf einzelne Pfeilspitzen, die wohl »Pars pro Toto«, also als symbolische Auswahl, beigegeben wurden. Warum der Saerbecker Bogenschütze mit einer besonders umfangreichen, vielleicht sogar vollständigen Jagdausrüstung beigesetzt wurde, bleibt das Geheimnis seiner Angehörigen, die ihn vor etwa 4500 Jahren über der Aue des Mühlenbaches bestatteten.

Jürgen Gaffrey

Archiv

Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Erik Drenth, Het Laat-Neolithikum in Nederland. De Steentijd van Nederland. Archeologie 11/12, 2005, 333–365.

Jürgen Gaffrey, Der Bogenschütze von Saerbeck-Westladbergen – Eine Grabstätte der Einzelgrabkultur. In: Thomas Otten u. a. (Hrsg.), Fundgeschichten – Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Ausstellungskatalog Köln, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 9 (Köln/Mainz 2010) 78–81.

Jan N. Lanting/Johannes Diderik van der Waals, Beaker Culture Relations in the Lower Rhine Basin. In: Wilhelm Pape/Christian Strahm (Org.), Glockenbechersymposion Oberried 1974 (Bussum 1976) 1–80.