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014 Bildstein

Verborgene Zeichen an einem Bau für die Ewigkeit

Große Steinplatte, auf deren Schmalseite eingeritzte Zeichen schwach zu erkennen sind.

© LWL/Stefan Brentführer

Bildstein

Fundort

Warburg

Kreis Höxter


Fundumstände

Kontext: Großsteingrab

Datum: 1988


Objekt

Material: Sandstein

Länge: 2,4 m

Breite: 1,9 m

Höhe: 0,4–0,5 m

Gewicht: 3,8 t


Datierung 

um 3000 v. Chr.

Epoche: Spätneolithikum

Kultur: Wartbergkultur

Verborgene Zeichen an einem Bau für die Ewigkeit

Denkt man an Kunst in der Vorzeit, fallen einem die berühmten Höhlenmalereien und die Frauenstatuetten der eiszeitlichen Menschen ein. Aber auch aus den jüngeren Perioden der Vorgeschichte gibt es künstlerische Arbeiten. Oft sind sie abstrakter und bestehen aus Symbolen, deren Bedeutung heute nicht mehr eindeutig zu verstehen ist – so auch bei diesem Bildstein aus Warburg, der in einem Großsteingrab zutage kam.

Insgesamt wurden in Warburg vier Großsteingräber, im Volksmund auch Hünengräber, aus der Zeit zwischen 3450 und 2950 v. Chr. untersucht. Mächtige Steinplatten bildeten die Wände und die Decke der Gräber, die über 30 m lang und bis zu 3 m breit waren. Durch einen Zugang konnten die Verstorbenen in das Gemeinschaftsgrab getragen und dort bestattet werden. In Grab 1 aus der Zeit um 3000 v. Chr., aus dem unser Bildstein stammt, fanden mindestens 71 Menschen ihre letzte Ruhestätte.

Großsteingräber sind die ältesten erhaltenen Bauten Westfalens, von vielen finden sich aber nur noch Reste im Boden. Die Steine störten in der Neuzeit bei der Feldbestellung und wurden oft zerschlagen, abtransportiert und für Gebäude genutzt. In Warburg war ein 2,4 m großer Wandstein glücklicherweise nur in eine Grube gekippt worden. Erst bei seiner Freilegung sah man die Symbole, die vor allem auf zwei Schmalseiten als punktförmige Vertiefungen dicht nebeneinander in die Steinoberfläche eingeschlagen wurden.

Es sind mindestens vier Motive vorhanden: paarweise angeordnete gabelförmige Zeichen, Zickzacklinien, eine kammförmige Gravur und ein kleiner Kreis. Bei ihrer Deutung helfen Vergleiche mit anderen Funden weiter, denn Bildzeichen scheinen zum Allgemeingut vieler Kulturen der späten Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit gehört zu haben. Dadurch wird klar, dass die gabelförmigen Zeichen von oben gesehene Rinder sind: eine gerade Linie für den Rücken und eine gebogene für die Hörner. Zwei Tiere nebeneinander ergeben ein Gespann, das einen Wagen oder einen Pflug zog. Die anderen Zeichen sind schwieriger zu deuten, die Zickzacklinien könnten Wasser symbolisieren, die Kammstriche Regen und der Kreis die Sonne.

Die Darstellung von Rindern und Wagen spiegelt deren Bedeutung in den Kulturen dieser Zeit wider. Rinder wurden für den Ackerbau genutzt, Rinderhaltung dürfte aber der wesentliche Wirtschaftszweig gewesen sein. Die Menschen konnten durch Wanderwirtschaft auch schlechtere Böden als Weide nutzen. An festen Punkten – wie diesen Gräbern – kamen sie wahrscheinlich zu bestimmten Anlässen zusammen. Doch die Zeichen an dem Stein haben sie nicht gesehen: Nach seinem Einbau in die Grabanlage waren sie vor den Lebenden verborgen.

Hans-Otto Pollmann

Museum

Weiterführende oder zitierte Literatur

Klaus Günther, Neolithische Bildzeichen an einem ehemaligen Megalithgrab bei Warburg, Kreis Höxter (Westfalen). Germania 68, 1990, 39–65.

Klaus Günther, Die Kollektivgräber-Nekropole Warburg I–IV. Bodenaltertümer Westfalens 34 (Mainz 1997).

Die in den Stein eingeritzten Zeichen wurden hier für die bessere Erkennbarkeit schwarz nachgezeichnet.

Umzeichnung der Bildzeichen. © LWL/Stefan Brentführer