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042 Gürtelhaken

Eisenverhüttung im Siegerland – ein Job für harte Männer?

Bronzener, dreieckiger, in der Mitte durchbrochener Haken mit plastischen Verzierungen.

© LWL/Stefan Brentführer

Plastisch verzierter Gürtelhaken

Fundort

Siegen-Niederschelden, Wartestraße

Kreis Siegen-Wittgenstein


Fundumstände

Kontext: Verhüttungsplatz

Datum: 2000


Objekt

Material: bleihaltige Zinnbronze, Eisen

Länge: 4,0 cm

Breite: 3,2 cm

Höhe: 1,6 cm


Datierung 

2.–1. Jahrhundert v. Chr.

Epoche: Mittellatènezeit

Kultur: Lahn-Sieg-Gruppe

Eisenverhüttung im Siegerland – ein Job für harte Männer?

Das Siegerland im Süden Westfalens ist seit Menschengedenken berühmt für sein Eisen: Schon im 3. Jahrhundert v. Chr. wurden hier Erze abgebaut und zu Stahl verhüttet. Die eisenzeitlichen Öfen dieser Region sind mit Innendurchmessern von 1,20 m und Höhen von bis zu 1,80 m die größten Anlagen ihrer Zeit in Europa. Und die damaligen Hüttenleute produzierten Stahl in fast industriellem Maßstab – tatsächlich erreichte die Produktion im Siegerland erst wieder im Hochmittelalter dieselben Ausmaße. Das Abfallprodukt Schlacke türmte sich zu so mächtigen Halden, dass es noch im 20. Jahrhundert mit LKWs in die Hochöfen der modernen Hüttenwerke als Zuschlagstoff abgefahren wurde.

Dank der regionalen Erzlagerstätten wurde das Siegerland in der Eisenzeit zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum, obwohl die Region keine hochwertigen Ackerböden hat und jenseits der Haupthandelsrouten liegt. Während in der Bronzezeit das für die Bronzeherstellung nötige Kupfer und Zinn importiert werden mussten, war mit dem Eisen jetzt das wichtigste Metall der Zeit lokal verfügbar. Wer aber waren die eisenzeitlichen Hüttenleute, die der Region zu wirtschaftlichem Aufschwung verhalfen? Das Siegerland liegt am Nordrand der keltischen Welt und wir gehen davon aus, dass fremde Spezialisten aus dem keltischen Kulturkreis die hier leicht zugänglichen Erzlagerstätten ausbeuteten.

Die Arbeit an den Öfen muss ein »Knochenjob« gewesen sein. Ein Verhüttungsvorgang dauerte mehrere Tage und Nächte und die Öfen mussten in dieser Zeit durchgängig befeuert werden. Nicht nur die Hitze des Feuers machte die Arbeit beschwerlich: Zum Bau der Öfen waren Tonnen von Lehm nötig, die mühselig – ohne Autos und Straßen – über weite Distanzen in die Berge transportiert wurden. Eisenerze und Brennmaterial mussten permanent beschafft werden, außerdem war es auch aufwendig, den Ofen instand zu halten. Es dürften wohl harte Männer gewesen sein, die diese Arbeiten verrichteten.

Allerdings hat die Sache einen Haken: einen Gürtelhaken. In einer Verhüttungswerkstatt bei Siegen-Niederschelden konnte ein verzierter Gürtelhaken aus Bronze geborgen werden, der ganz typisch für die Frauentracht jener Zeit ist. Vergleichsstücke stammen allesamt aus Frauengräbern. Heißt dies, dass Frauen die eigentlichen »Hüttenmänner« waren? Wir wissen es nicht. Fragen zur sozialen Rolle der Frauen in der damaligen Zeit sind erst seit Kurzem verstärkt in unseren Fokus gerückt und bis jetzt geben nur wenige Fundplätze (→ Nr. 034) Antworten darauf. Aber unser Gürtelhaken belegt zumindest die Anwesenheit von Frauen auf den Verhüttungsplätzen – obwohl wir davon ausgehen, dass es hier keine festen Behausungen gab und die Plätze nur saisonal genutzt wurden.

Jennifer Garner

Weiterführende oder zitierte Literatur

Jennifer Garner, Der latènezeitliche Verhüttungsplatz in Siegen-Niederschelden »Wartestraße«. Metalla 17.1/2 (Bochum 2011).

Jennifer Garner/Thomas Stöllner, Eisen im Siegerland – Das latènezeitliche Produktionsensemble von Siegen-Niederschelden. In: Heinz-Günter Horn u.a. (Hrsg.), Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Ausstellungskatalog Köln, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 8 (Mainz 2005) 355–358.

Frank Verse, Die Befestigung auf dem »Oberwald« bei Greifenstein-Holzhausen, Lahn-Dill-Kreis. In: Sebastian Möllers (Hrsg.), Keltische Einflüsse im nördlichen Mitteleuropa während der mittleren und jüngeren vorrömischen Eisenzeit. Internationales Kolloquium in Osnabrück vom 29. März bis 1. April 2006. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 9 (Bonn 2007) 153–166.

Frank Verse, Siedlungsdynamische Prozesse im hessisch-westfälischen Bergland während der Eisenzeit. Siegerland 87/2, 2010, 221–240.