Transkript anzeigen Abspielen Pausieren

053 Öllampen

Zensiert. Beim Militär herrschen Zucht und Ordnung!

Öllampen

Fundort

Haltern am See

Kreis Recklinghausen

 

Fundumstände

Kontext: römisches Hauptlager

Funddatum: 1960er-Jahre

 

Objekt

Material: Keramik

Länge: max. 14,1 cm

Breite: max. 7,9 cm

Höhe ohne Henkel: max. 3,2 cm

 

Datierung 

um Chr. Geb.

Epoche: frühe römische Kaiserzeit

Kultur: römisch

Zensiert. Beim Militär herrschen Zucht und Ordnung!

Erotische Darstellungen sind vermutlich schon jedem Besucher einer Ausstellung zur römischen Antike aufgefallen. Man findet sie nicht nur auf großen Vasen, sondern vor allem auch auf kleinen Öllampen. Die Bildnisse gehören zu den häufigsten Motiven, zieren die prächtigsten Stücke und sind oft recht explizit. Was uns heute mit unserer kulturellen und christlichen Prägung etwas ungehörig erscheint, erregte damals im Süden scheinbar keinerlei Anstoß.

Ihren Ursprung haben die tönernen Bildlampen in Italien. Sie wurden dort im 1. Jahrhundert v. Chr. entwickelt und verbreiteten sich dann in die von Rom eroberten nordwestlichen Provinzen. Auch bei den in Westfalen stationierten römischen Truppen waren diese Bildlampen sehr beliebt; der größte Fundkomplex kam im Militärlager in Haltern am See zutage. Auf den figürlich verzierten Exemplaren geht es lebhaft zu: Pferde jagen im Galopp über eine Rennbahn, der Wagenlenker schnalzt mit der Peitsche. Neben Vier- und Zweispännern erfreuten sich die Legionäre auch an den sehr beliebten Gladiatorenszenen. Außerdem gab es Bildlampen mit Darstellungen aus der antiken Mythologie, aus dem Alltag, mit Tieren sowie pflanzlichen und geometrischen Motiven. Ein sehr vielfältiges Bildprogramm also – das einzige, das völlig fehlt, sind die sonst so häufigen erotischen Szenen. Es scheint, dass eine »Zensurbehörde« ganze Arbeit geleistet hat. Warum allerdings ausgerechnet die Lampen der römischen Söldner in den Provinzen fern der Heimat zensiert wurden und wer die Motive kontrollierte, wissen wir nicht. 

Hergestellt wurden die Tonlampen zu Beginn der römischen Besatzung der rechtsrheinischen Gebiete noch in Italien. Ab Christi Geburt erfolgte die Fertigung dann vor Ort. Töpferöfen, in denen Lampen gebrannt wurden, sind innerhalb und außerhalb des Hauptlagers von Haltern nachgewiesen. Wir finden vor allem die Ausschussware, die dort entsorgt wurde. Zur Herstellung der Bildlampen dienten zwei Tonmodel, je einer für das Ober- und das Unterteil. So konnten sie bequem in großer Zahl und in kurzer Zeit produziert werden, weshalb sie auch rasch zur Massenware wurden und weite Verbreitung fanden. 

Eine befüllte Lampe brannte ein bis vier Stunden. Als Brennstoff diente vor allem Olivenöl, das in großen Amphoren aus Südspanien importiert wurde. Durch das Ölloch auf dem Oberteil mit der Reliefdarstellung wurde der Brennstoff nachgefüllt; in dem Loch in der Schnauze steckte ein Docht aus Pflanzenfasern. In Rom und in den Provinzen erhellten sie die Innenräume der Häuser. Da die Lampen zuhause zum Alltag gehörten, brachten sie für die Legionäre sicher ein wenig heimisches Licht in fremde Gefilde.

Bettina Tremmel

Museum

LWL-Römermuseum, Haltern am See

Weiterführende oder zitierte Literatur

Ruth Bielfeldt, Lichtblicke – Sehstrahlen. Zur Präsenz römischer Figuren- und Bildlampen. In: Ruth Bielfeldt (Hrsg.), Ding und Mensch in der Antike. Gegenwart und Vergegenwärtigung. Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Akademie-Konferenzen 16 (Heidelberg 2014) 195–238. 

Karin Goethert, Römische Lampen und Leuchter. Auswahlkatalog des Rheinischen Landesmuseums Trier Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier 14 (Trier 1997). 

William V. Harris, Roman Terracotta Lamps: The Organization of an Industry. In: William V. Harris, Romes Imperial Economy (Oxford 2011) 113–147. 

Bernd Liesen (Hrsg.), Römische Keramik, Herstellung und Handel. Kolloquium Xanten, 15.–17.6.2000. Xantener Berichte 13 (Mainz 2003). 

Bernd Liesen (Hrsg.), Römische Keramik in Niedergermanien. Produktion – Handel – Gebrauch. Beiträge zur Tagung der Rei Cretariae Romanae Fautores, 21.–26. September 2014 im LVR-RömerMuseum im Archäologischen Park Xanten. Xantener Berichte 27 (Darmstadt 2014). 

Bernhard Paul Martin Rudnick, Die römischen Töpfereien von Haltern. Bodenaltertümer Westfalens 36 (Mainz 2001). 

4 schälchenfömige, oben geschlossene Tongefäße mit motivisch verzierten Oberseiten, Henkeln und Tüllen.

© LWL/Stefan Brentführer