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054 Bronzeblech

Geschmückt mit fremden Federn – eitle Pfauen an der Emscher

Deckel eines Bronzebeckens mit Halbdeckel, Typ Eggers 90

Fundort

Castrop-Rauxel-Ickern

Kreis Recklinghausen


Fundumstände

Kontext: verlandeter Emscher-Altarm in germanischer Siedlung

Datum: 18. November 2009


Objekt

Material: Messing

Länge: ca. 21 cm

Breite: 6,7 cm


Datierung 

300–370 n. Chr. (Entstehung der Flussablagerungen)

Epoche: Späte römische Kaiserzeit


Import

Herstellungsregion: römische Provinz, wahrscheinlich Region Grand Est (Frankreich)

Herstellungszeit: 3. Jahrhundert n. Chr.

Geschmückt mit fremden Federn – eitle Pfauen an der Emscher

Auch wenn sie den Eroberungsversuchen mit aller Macht getrotzt hatten, ein wenig römische Lebensart wollten die Germanen in Castrop-Rauxel wohl dennoch nicht missen: Ihre Siedlung war nur etwa 50 km von den römischen Gebieten links des Rheins entfernt und über die Emscher leicht zu erreichen. Dort besorgten sie sich unter anderem wertvolles bronzenes Trinkgeschirr.

Das stilisierte Weinblatt zwischen den beiden Pfauen gibt bereits einen Hinweis, wofür das kreissegmentförmige Blech einst genutzt wurde. Es war als Deckel auf ein flaches, rundes Becken gelötet. Das Blech deckte den vorderen Teil des Gefäßes mit Ausguss und Sieb ab, das zum Filtern des mit Honig, Pfeffer, Mastix, Lorbeerblättern, Safran und Datteln gewürzten Weines verwendet wurde.

Die zwei stolzen, sich gegenüberstehenden Pfauen im prachtvollen Federkleid wurden formvollendet gearbeitet. Ihre Darstellung besticht durch die herausragende handwerkliche Qualität. Die Krone, die Brust, der eigentliche Schwanz und die lange Schleppe der Tiere sind minutiös mit unterschiedlichen Punzen gearbeitet worden, dabei heben sich die feinen Flaumfedern deutlich von den kräftigen Oberschwanzfedern ab. Umrahmt werden die Tiere von Blütenranken. Die Darstellung der Pfauen und Ranken auf dem ehemals goldschimmernden Messingblech wird durch den verzinnten Hintergrund zusätzlich reizvoll in Szene gesetzt. Dies geschah in der sogenannten Ausspartechnik, bei der die gepunzten goldfarbigen Partien vor der Verzinnung abgedeckt wurden.

Wie aber besorgten sich die Germanen dieses Gefäß, das etwa in der Zeit zwischen 150 und 250 n. Chr. hergestellt wurde – also gut 150 Jahre nach dem Ende der römischen Besatzung in Westfalen? Mehrere Szenenarien sind denkbar. Nachdem die Römer sich über den Rhein zurückgezogen hatten, befestigten sie die Reichsgrenze, den Limes. Dieser hatte aber nicht nur eine militärische Funktion, sondern war vor allem die durchlässige Zollgrenze des römischen Wirtschaftsgebietes – der Handel zwischen Römischem Reich und Barbaricum florierte weiterhin. Bei dem Deckel bzw. dem Gefäß könnte es sich also schlicht um Handelsware handeln.

Allerdings musste das Römische Reich im 3. Jahrhundert n. Chr. innenpolitische Probleme und militärische Konflikte an gleich mehreren Außengrenzen bewältigen. Germanische Stammesverbände nutzten diese Situation, überquerten mehrfach den Limes und zogen plündernd durch die Provinzen. Dabei machten sie reiche Beute, wie wir von im Rhein versunkenen Schätzen wissen, die aus über 1000 Metallobjekten bestehen konnten und mehr als 700 kg wogen. Vielleicht kam ja auch unser Stück als Diebesgut an die Emscher.

Jürgen Pape, Ruth Tegethoff

Archiv

Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Matthias Becker, Metallgefäße aus Siedlungsfunden Mitteldeutschlands im Vergleich mit den Fundspektren der Brand- und Körpergräber – Methodische Anmerkungen zur Fundüberlieferung, Chronologie und Befundstrukturen. In: Hans-Ulrich Voß/Nils Müller-Scheeßel (Hrsg.), Archäologie zwischen Römern und Barbaren. Zur Datierung und Verbreitung römischer Metallarbeiten des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. im Reich und im Barbaricum – ausgewählte Beispiele (Gefäße, Fibeln, Bestandteile militärischer Ausrüstung, Kleingerät, Münzen). Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 22,1 (Bonn 2016) 5–24.

Bernd Bienert, Die römischen Bronzegefäße im Rheinischen Landesmuseum Trier. Trierer Zeitschrift, Beiheft 31 (Trier 2007) 116–123.

Werner Eck, Die politische Situation im 3. Jahrhundert n. Chr. Das Imperium Romanum und die Provinzen am Rhein. In: Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH – Museum und Park Kalkriese (Hrsg.), 2000 Jahre Varusschlacht. Imperium. Ausstellungskatalog Kalkriese (Stuttgart 2009) 184–191.

Patrick Könemann, Die kaiserzeitlichen Bunt- und Edelmetallfunde von Kamen-Westick. Verarbeitung römischer Metallimporte in einer germanischen Siedlung. Raw Materials, Innovation, Technology of Ancient Cultures 5 = Der Anschnitt, Beiheft 37 = Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum 222 (Bochum 2018).

Ernst Künzl (Hrsg.), Die Alamannenbeute aus dem Rhein bei Neupotz. Plünderungsgut aus dem römischen Gallien. Monographien RGZM 34 (Mainz 1993).

Jürgen Pape, Rom und die Germanen – ein Überblick. In: Jürgen Pape/Angelika Speckmann, EmscherZeitläufe. 14.000 Jahre Mensch und Umwelt in Castrop-Rauxel (Darmstadt 2011) 48–50.

 

Bronzeblech, das mit verschiedenen Verzierungen versehen ist, darunter zwei Pfauen.

© LWL/Stefan Brentführer