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040 Paukenfibel

Keltische Inspiration für germanische Handwerker

Paukenfibel, Typ Benstrup-Sünninghausen

Fundort

Oelde-Sünninghausen

Kreis Warendorf


Fundumstände

Kontext: Siedlung

Datum: 1964


Objekt

Material: Zinn-Arsen-Bronze, Eisen

Breite: 5,1 cm

Höhe: 2,9 cm


Datierung 

3. Jahrhundert v. Chr.

Epoche: Anfang späte Eisenzeit

Keltische Inspiration für germanische Handwerker

Was den Damen der Bronzezeit die Nadeln (→ Nr. 024), waren den eleganten Frauen der Eisenzeit die Fibeln. Diese Schmuckform, optisch und funktional eine Mischung aus Brosche und Sicherheitsnadel, fand seit der mittleren Eisenzeit in Nordwestdeutschland größere Verbreitung. Aus Eisen, Bronze oder sogar Edelmetall geschmiedet oder gegossen, waren sie wichtiger Bestandteil der persönlichen Ausstattung. Ihre Formen waren vielfältig und ihre Verzierungen abwechslungsreich.

Trachtbestandteile waren zu allen Zeiten dem jeweiligen Modegeschmack und damit schnellen Änderungen, fremden Einflüssen und regionalen Vorlieben unterworfen – deshalb lassen sich an ihnen weiträumige Kulturbeziehungen nachvollziehen. So auch im 3. Jahrhundert v. Chr., das von einer besonders hohen Mobilität geprägt war. In dieser Zeit erreichte die Ausdehnung der keltischen Latènekultur ihre maximale Größe nördlich, westlich und östlich der Alpen. Sie war geprägt von Wanderungen und Beutezügen, die bis nach Italien, Griechenland und sogar bis zum Schwarzen Meer reichten. Durch wechselseitige Beziehungen, Einflüsse und Handel erreichten exotische Waren und neue Techniken auch die Gemeinschaften germanischer Kultur im heutigen Westfalen.

Die regional angefertigte Variante einer ursprünglich keltischen Fibelform ist ein schönes Beispiel dafür. Die dünne Bronzeblech-»Pauke« des Originals wurde beim germanischen Plagiat durch eine über den Bügel einer eisernen Fibel gegossene bronzene Halbkugel imitiert. Diese und weitere Varianten der Paukenfibeln wurden vom Maasgebiet über den Niederrhein bis nach Ostwestfalen produziert und lokal verhandelt. In den Varianten erkennen wir möglicherweise konkrete Werkstätten; aber vielleicht fassen wir auch zum ersten Mal soziale und politische Einheiten und deren Netzwerke in unserer Region.

Die individuell erworbenen Erzeugnisse tauchen im Fundspektrum eisenzeitlicher Siedlungen äußerst selten auf, da defekte Metallgegenstände eingeschmolzen und das wertvolle Material wiederverwendet wurde. Umso erstaunlicher war die Lage der vollständigen und funktionsfähigen Fibel in der Verfüllung einer Siedlungsgrube – zusammen mit den Resten einer weiteren Fibel. Weitaus häufiger finden sich eisenzeitliche Metallfunde in Gräbern, Hort- oder Verwahrfunden. Sie wurden absichtlich beigegeben, geopfert oder für eine spätere Nutzung versteckt.

All diese Funde ermöglichen uns einen faszinierenden Überblick über das vielfältige Formenspektrum in der jüngeren Eisenzeit.

Elisabeth Dickmann

Archiv

Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Ralf Gleser, Archäologie und Geschichte – Einführung in die Eisenzeit. In: Jürgen Gaffrey/Eva Cichy/Manuel Zeiler, Westfalen in der Eisenzeit (Münster 2015) 9–19.

Ralf Gleser, Handel und Kontakt in der Eisenzeit. In: Jürgen Gaffrey/Eva Cichy/Manuel Zeiler, Westfalen in der Eisenzeit (Darmstadt 2015) 147–151.

Birthe Reepen, Fremdeinflüsse in der Eisenzeit Westfalens. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 284 (Münster 2016).

Bernhard Sicherl, Ein Neufund einer Fibel des Typs Benstrup aus Anreppen, Kr. Paderborn. Zu den Kulturbeziehungen zwischen dem Maasgebiet und Nordwestdeutschland zu Beginn der späten Eisenzeit. Archäologie in Ostwestfalen 13, 2017, 37–50.

Klemens Wilhelmi, Eine Siedlung der Vorrömischen Eisenzeit bei Sünninghausen, Kr. Beckum. Bodenaltertümer Westfalens 13, 1973, 77–140.

Eiserne Fibel, die mit einer Halbkugel aus golden schimmernder Bronze verziert ist.

© LWL/Stefan Brentführer