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066 Taschenbeschläge

Filigranes für einen großen Reiterfürsten

Drei goldenen Taschenbeschlägen, die mit komplizierten und miteinander verwobenen Mustern verziert sind.

© LWL/Stefan Brentführer

Taschenbeschläge

Fundort

Beckum

Kreis Warendorf


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: 1959


Objekt

Material: Gold

Länge: 4,4–5,9 cm

Breite: 2,7–3,3 cm


Datierung 

590–620

Epoche: Frühmittelalter

Herrschergeschlecht: Merowinger

Filigranes für einen großen Reiterfürsten

Der Goldschmied aus Burgund oder aus Süddeutschland muss ausgezeichnete Augen gehabt haben. Optische Hilfsmittel sind aus dieser Zeit nicht bekannt, aber dennoch gelang es ihm, feine, gedrehte Goldfäden zu Schlangenmustern, Brezelmotiven, Bogenreihen und Schnörkeln zu formen und auf kleinste Flächen aufzulöten. Die Endprodukte gehörten als Dreierset zu einer Tasche, die am Gürtel getragen wurde. Wenig filigran war dagegen ihr Inhalt: zwei Messer, eine Pinzette für die Bartpflege und ein Feuerzeug – die handfeste Grundausstattung für einen frühmittelalterlichen Mann. Mit den kleinen Beschlägen an der Tasche zeigte ihr Träger aber deutlich, dass er Zugang zu goldenen Preziosen hatte, nicht zu protzig, aber dennoch unübersehbar.

Das prunkvolle und einst durch den aufgeschütteten Hügel weithin sichtbare Grab des Mannes, dem die Tasche gehörte, wurde 1959 als Sensationsfund bekannt. Schon in den ersten Presseartikeln erhielt der in der Zeit um 600 Verstorbene die Bezeichnung »Fürst von Beckum«, die sich bis heute in der Forschung hält. Noch weitere Goldbeigaben enthielt das Grab, aber auch Gefäße aus Bronze, Glas und metallbeschlagenem Holz. Seinen posthumen Ruhm begründeten aber vor allem eine vielteilige Waffenausstattung mit einem besonders kostbaren Schwert und nicht zuletzt zahlreiche Pferdegräber, die zu Füßen des Grabhügels lagen.

Es war sicher ein grausiges, blutiges Schauspiel während der Bestattungszeremonie: Junge Hengste oder Wallache mussten in enge Gruben steigen, die mit Holz ausgekleidet waren. Dort wurden sie getötet, um ihrem Herrn in den Tod zu folgen. Die hohe Anzahl der Pferde – mindestens zwölf Tiere gehörten unmittelbar zu der Bestattung des »Fürsten« – erinnert an die mehr als 100 Jahre ältere Bestattung des Merowingerkönigs Childerich, die schon im 17. Jahrhundert in Tournai entdeckt wurde. Auch dort gibt es Gruben mit zahlreichen Pferden, die in ähnlicher Weise wie in Beckum angelegt worden waren. Kannten die Beckumer der Zeit um 600 solche Bestattungsrituale für Herrscher?

Der »Fürst von Beckum« stand – zumindest regional gesehen – an der Spitze der Gesellschaft. Sein Schwert besaß zwei ineinander verschlungene Ringe am Knauf (→ Nr. 064). Dies weist ihn als hochrangigen Gefolgsmann des Merowingerkönigs aus, der seinen Getreuen als Auszeichnung solche Ringe zu verleihen pflegte. Die Pferde scheinen darauf hinzuweisen, dass er seine Position entsprechend gefestigt hatte, weil er berittene Krieger um sich scharen konnte und so einen hohen Wert für Bündnispartner besaß. Das zahlte sich dann schließlich in klingender Münze aus, sodass auch Schmückendes aus Gold von weit her für einen Herrn in seiner Position eine Selbstverständlichkeit war.

Vera Brieske

Weiterführende oder zitierte Literatur

Vera Brieske, Pferdegräber als Zeichen für Sachsen in Westfalen? In: Henriette Brink-Kloke/Karl Heinrich Deutmann, Die Herrschaften von Asseln. Ein frühmittelalterliches Gräberfeld am Dortmunder Hellweg (München/Berlin 2007) 102–108.

Vera Brieske, Tradition und Akkulturation. Neue Untersuchungen zum »Fürsten« von Beckum. In: Babette Ludowici/Heike Pöppelmann (Hrsg.), Das Miteinander, Nebeneinander und Gegeneinander von Kulturen. Zur Archäologie und Geschichte wechselseitiger Beziehungen im 1. Jahrtausend n. Chr. Neue Studien zur Sachsenforschung 2 (Stuttgart 2011) 124–133.

Christoph Grünewald, Das Gräberfeld Beckum. In: Christoph Stiegemann/Matthias Wemhoff (Hrsg.), 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit 1 (Mainz 1999) 211–212.

Andreas Weisgerber/Vera Brieske, Technische Bemerkungen zu den Goldbeschlägen aus dem Fürstengrab von Beckum. In: Thomas Otten u.a. (Hrsg.), Fundgeschichten – Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Ausstellungskatalog Köln, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 9 (Mainz 2010) 365–367.

Wilhelm Winkelmann, Das Fürstengrab von Beckum, eine sächsische Grabstätte des 7. Jahrhunderts in Westfalen. Die Glocke (Beckum 1962, Sonderbeilage Weihnachten 1962). Wieder abgedruckt in Wilhelm Winkelmann, Beiträge zur Frühgeschichte Westfalens. Veröffentlichungen der Altertumskommission 8 (Münster 1984) 135–139.