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008 Doppelgefäß

Alles wird anders – die neolithische Revolution erreicht Westfalen

Kümpfe mit Verzierung im Flomborn-Stil

Fundort

Warburg-Hohenwepel

Kreis Höxter


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: 2012


Objekt

Material: Keramik

Höhe: ca. 8 cm bzw. ca. 11 cm

Durchmesser: ca. 7 cm bzw. ca. 11 cm


Datierung 

5200–5100 v. Chr.

Epoche: Frühneolithikum

Kultur: Linearbandkeramik

Alles wird anders – die neolithische Revolution erreicht Westfalen

Diese beiden Keramikgefäße sind Zeugen der wohl größten Revolution der Menschheitsgeschichte, dem Übergang vom mobilen Leben als Jäger und Sammler zu dem Leben als sesshafte Bauern – der »neolithischen Revolution«. Der Fund aus Warburg-Hohenwepel steht für einen langen Entwicklungsprozess, der Jahrtausende zuvor begann. Grundlegende Neuerungen wie Sesshaftigkeit, Ackerbau, Viehzucht, Vorratswirtschaft und Keramik wurden nach und nach vor allem im Gebiet des fruchtbaren Halbmondes um Euphrat und Tigris entwickelt. Gemeinsam bilden sie das sogenannte neolithische Paket, das sich von dort als Ganzes weiter ausbreitete und um 5300 v. Chr. auch das heutige Westfalen erreichte.

Die Gefäße werden wegen ihrer Verzierung als Linearbandkeramik bezeichnet. Sie wurden von den ersten sesshaften Menschen unserer Region hergestellt, die in dorfähnlichen Siedlungen lebten. Feuerfeste Keramikgefäße gehörten schnell zum Alltag, in ihnen wurde Essen gekocht, serviert oder aufbewahrt. Und sie wurden Verstorbenen ins Grab mitgegeben – so auch in Hohenwepel. Hier konnten mehr als 160 Bestattungen aus dieser Zeit untersucht werden. Wie so häufig war organisches Material wie Knochen im Lauf der Jahrtausende vergangen, nur Steingeräte und Keramik blieben erhalten. In diesem Fall war allerdings selbst die Keramik in einem desolaten Zustand. Durch die Lagerung im Boden sind die Gefäße zerdrückt und die Scherben brüchig und weich geworden, manche Scherben waren fast schon wieder in Erde übergegangen. Deshalb wurden die Funde vor Ort nur teilweise freigelegt und stattdessen in einem größeren Erdblock geborgen und in die Restaurierungswerkstatt der LWL-Archäologie in Münster-Coerde transportiert.

Die Restaurierung der Gefäße war eine große Herausforderung – die Ergebnisse sprechen für die Fertigkeiten der Kollegin, die mit einer Überraschung belohnt wurden. Als sie den Fund Schicht für Schicht sehr vorsichtig mit Skalpell, Pinsel, Lösemittel und Blasebalg freilegte, entdeckte sie im Inneren des großen Topfes ein kleineres Gefäß, das bei der Niederlegung der Beigaben in das größere gestellt worden war. Da es nicht durch die intakte Gefäßmündung des größeren Kumpfs passte, muss dessen Öffnung künstlich vergrößert und danach wieder verschlossen worden sein. Bei der Rekonstruktion wurde nach dem Festigen der Scherben das große Gefäß zum Teil offen gelassen, damit das kleinere zu sehen ist.

Von anderen Fundplätzen mit besserer Keramikerhaltung wissen wir, dass die Gefäße in den Gräbern häufig Lebensmittel wie Fleisch, Getreide oder Obst enthielten. Vielleicht versorgten die Angehörigen ihre Verstorbenen auch in Hohenwepel mit derlei Beigaben.

Lina Pak, Hans-Otto Pollmann

Archiv

Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Hans-Otto Pollmann, Frühe Ackerbauern und Viehzüchter in Westfalen. In: Thomas Otten u. a. (Hrsg.), Revolution Jungsteinzeit. Ausstellungskatalog Bonn, Detmold, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 11,1 (Darmstadt 2015) 330–333.

Hans-Otto Pollmann, Halbzeit – Zahnschmelz, Flint und Flomborn im Gräberfeld von Warburg-Hohenwepel. Archäologie in Westfalen 2015, 2016, 32–35.

Ein kleineres Keramikgefäß steht in einem größeren. Das kleine ist mit Linien verziert, beide haben an den Seiten kleine durchlochte Knubben.

© LWL/Stefan Brentführer