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019 Feuersteinsicheln

Schillernde Sicheln – bewährtes Konzept mit neuem Design

Feuersteinsicheln

Fundort

Rheine-Altenrheine

Kreis Steinfurt


Fundumstände

Kontext: Deponierung in Siedlungsgrube

Datum: 2001


Objekt

Material: Baltischer Feuerstein

Länge: max. 15,7 cm

Breite: max. 4,3 cm

Dicke: max. 1,4 cm


Datierung 

ca. 2200–1200 v. Chr.

Epoche: Endneolithikum bis frühe/mittlere Bronzezeit

Schillernde Sicheln – bewährtes Konzept mit neuem Design

Sie glänzen so stark, dass man das Material fast für Perlmutt halten könnte. Dabei sind diese Sicheln aus Feuerstein und wurden erst durch harte Arbeit so blank poliert. Dieser Sichelglanz entsteht auf den Oberflächen von Feuersteingeräten, wenn mit ihnen siliziumhaltige Pflanzen geschnitten werden. Den Pflanzen gibt Silizium Stabilität, beim Schneiden wirkt es wie ein Schleifmittel auf der Klinge. So zeugt der Glanz von der intensiven Verwendung der Sicheln beim Ernten von Getreide oder Schilf und bei der Laubgewinnung für die Viehfütterung.

Sichelartige Erntemesser gehören zu den ältesten Ackerbaugeräten und wurden im östlichen Mittelmeerraum schon um 12.000 v. Chr. verwendet. Ihr Aussehen veränderte sich im Laufe der Zeit. Bei der Herstellung der beiden halbmondförmigen Feuersteinsicheln orientierten sich die Menschen in Rheine-Altenrheine an ersten bronzenen Vorbildern. Da Bronze noch selten war, verwendete man für zahlreiche Geräte weiterhin Stein, übernahm aber die Form der wertvollen Metallgegenstände. Sicheln dieser Art wurden vom Ende der Jungsteinzeit bis in die ältere Eisenzeit verwendet. Aus Westfalen gibt es bis jetzt aber nur wenige dieser kunstvoll hergestellten Erntegeräte.

Unsere Stücke aus Altenrheine sind auf beiden Seiten sehr sorgfältig und professionell zugerichtet worden. Sie bestehen aus baltischem Kreidefeuerstein, der aus dem Norden Europas stammt. Auf Werkstattplätzen in Dänemark, z.B. in der Nähe von prähistorischen Feuersteinbergwerken, in Schleswig-Holstein und selbst auf Rügen finden sich Sicheln in unterschiedlichen Bearbeitungsstadien. Offensichtlich verließen die Objekte als Fertig- oder Halbfertigfabrikate die Werkstätten und wurden so weiter nach Süden verhandelt. Die genauen Routen sind uns nicht bekannt. Ebenso wenig wissen wir, was man in Westfalen für die Feuersteingeräte eintauschte.

Ähnliche Funde liegen aus dem gesamten norddeutschen Gebiet und den Niederlanden vor. Die Sicheln wurden dort als einzelne Exemplare und in Gruppen von bis zu 20 Stück, auch gemeinsam mit Feuersteindolchen, entdeckt. Diese absichtlichen Niederlegungen deuten darauf hin, dass die Objekte eine gewisse Wertschätzung erfuhren. Die beiden Sicheln aus Altenrheine lagen in einer Siedlungsgrube, deren Verfüllung stark mit Holzkohle durchsetzt war. Eine der Sicheln stand senkrecht im Boden, die zweite lag nur wenige Zentimeter direkt darunter. Dies lässt darauf schließen, dass es sich nicht um einen Verlust oder um Abfall aus der Siedlung handelt. Die strukturierte, man möchte fast sagen inszenierte Niederlegung der Stücke spricht vielmehr dafür, sie als Hinterlassenschaft kultischer Handlungen zu interpretieren.

Bernhard Stapel

Weiterführende oder zitierte Literatur

Anke Kersting, Das mehrperiodige Gräberfeld in Altenrheine. In: Stadt Rheine (Hrsg.), Rheine Gestern Heute Morgen. Expedition in die Vergangenheit. Zeitschrift für die Stadt Rheine 43, 1999, 122–128.

Anke Kersting, Frühbronzezeitlicher Flintsicheldepotfund aus Rheine-Altenrheine. In: Hans-Günter Horn u.a. (Hrsg.), Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Ausstellungskatalog Köln/Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 8 (Mainz 2005) 338–339.

Claudia Siemann, Von der Steinzeit zur Bronzezeit: Dolche und Sicheln aus Feuerstein. In: Daniel Bérenger/Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008) 90.

Stadt Rheine (Hrsg.), 11000 Jahre Baugebiet Klusenweg – Archäologische Entdeckungen in Altenrheine (Rheine 2007).

Zwei hellbeigene Sicheln aus Feuerstein.

© LWL/Stefan Brentführer