024 Doppelradnadel
Mit Doppelrad und Öse – eine Nadel für alle Fälle
Doppelradnadel, Typ Unterbimbach
Fundort
Horn-Bad Meinberg-Bellenberg
Kreis Lippe
Fundumstände
Kontext: Einzelfund
Datum: um 1950
Objekt
Material: Bronze
Länge: 24,8 cm
Radbreite: 5,6 cm
Radhöhe: 6,7 cm
Datierung
1500–1200 v. Chr.
Epoche: Mittlere Bronzezeit
Kultur: Hügelgräberkultur
Mit Doppelrad und Öse – eine Nadel für alle Fälle
Nähen, Stricken oder Heften – Nadeln sind uns heute am ehesten aus dem Textilhandwerk oder in Form von Abzeichen am Revers bekannt. Anders in der Archäologie: Wer hier den Begriff »Nadel« in den Mund nimmt, meint damit Objekte, mit denen man Kleider verschloss oder Hauben und Haare feststeckte – Aufgaben, für die es heute eine ganze Palette von Alternativen wie Reißverschlüsse, Knöpfe oder Haarspangen gibt.
In der Bronzezeit, vor allem in ihrem mittleren Abschnitt, waren überaus dekorative Nadeln modern, die in großer Formenvielfalt belegt sind. Der überwiegende Teil von ihnen stammt aus Gräbern. Damals bestattete man die Verstorbenen wie in der vorangegangenen frühen Bronzezeit unter Grabhügeln. Neu war allerdings, dass die Toten ausgestreckt auf dem Rücken liegend beigesetzt wurden und dass man ihnen Beigaben aus Bronze mitgab. Nadeln gelangten als Bestandteil der Tracht in die Gräber. Durch die Lagerung im Boden überzieht die einst wie Gold schimmernden Bronzeobjekte heute eine grüne Patina.
Das äußerst gut erhaltene Exemplar vom Bellenberg stammt wohl aus einem zerpflügten Grabhügel, der sich im Gelände nicht mehr zeigte. So ist es das einzige Zeugnis einer weit zurückliegenden Epoche. Wegen der typischen Form des Kopfes wird dieser Nadeltyp als Radnadel bezeichnet – die Variante mit doppeltem Ring auch als Doppelradnadel.
Einige Nadeltypen lagen meist am Schädel oder im Schulterbereich und dienten eher zum Feststecken einer Kopfbedeckung und des Haares; Radnadeln lagen dagegen meist im Bereich des Oberkörpers in Frauenbestattungen. Ganz praktisch könnten sie zum Verschließen des Gewandes gedient haben, sie waren aber auch dekorative Schmuckstücke. Vor allem gilt dies für die besonders gestalteten Exemplare, wie das vom Bellenberg, bei dem die äußere Felge, die Speichen und die Öse auf Vorder- und Rückseite mit Querkerben verziert sind.
Dass die Trageweise der Nadeln auch Botschaften über ihre Trägerinnen vermittelt hat – vielleicht wie heute die Position der Schleife bei einem Dirndl –, lässt sich nur vermuten. Aber die unterschiedliche Trageweise der Radnadeln lässt bestimmte Trachtregionen erkennen. In Westfalen, Osthessen und auch in Niedersachsen schmückten sich die Frauen meist mit einzelnen Exemplaren. In Südthüringen hingegen wurden sie meist paarig und dann vor der Schulter getragen.
Doppelradnadeln vom Typ Unterbimbach, zu dem unser Exemplar gehört, kommen ursprünglich aus Osthessen und dem Fulda-Werra-Gebiet. Hierzulande sind sie selten und vor allem in Ostwestfalen zu finden, das zugleich den nördlichsten Bereich ihres Hauptverbreitungsgebietes darstellt.
Elke Treude
Weiterführende oder zitierte Literatur
Daniel Bérenger, Ein bronzezeitlicher Grabhügel mit Doppelradnadel aus Werther, Kreis Gütersloh. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 9B, 1995, 1–14.
Daniel Bérenger, Die Paderborner Bronzezeit. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Museum in der Kaiserpfalz, Paderborn (Paderborn 1996).
Daniel Bérenger/Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008).
Irina Görner, Bestattungssitten der Hügelgräberbronzezeit in Nord- und Osthessen. Marburger Studien zur Vor- und Frühgeschichte 20 (Rahden/Westf. 2002).
Ronald Heynowski, Nadeln erkennen, bestimmen, beschreiben. Bestimmungsbuch Archäologie 3 2(Berlin 2017).
Birgit Mecke/Gisela Schumacher-Matthäus, Trachtschmuck in Westfalen? In: Daniel Bérenger/Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008) 163–165.