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027 Nordisches Rasiermesser

Keiner an Bord ... – ein Rasiermesser mit Schiffsdarstellung

Rasiermesser aus grünlicher Bronze, auf dem Musterlinien eingepunzt sind.

© LWL/Stefan Brentführer

Nordisches Rasiermesser mit Schiffsdarstellung

Fundort

Ibbenbüren

Kreis Steinfurt


Fundumstände

Kontext: Urnengräberfeld

Datum: 1992


Objekt

Material: Bronze

Länge: 7,8 cm

Breite: max. 2,0 cm

Dicke: 0,1 cm


Datierung 

um 1000 v. Chr.

Epoche: Späte Bronzezeit

Keiner an Bord ... – ein Rasiermesser mit Schiffsdarstellung

Schiffsdarstellungen als Felsritzungen oder als Gravierungen auf Bronzegerätschaften sind ein Phänomen der nordeuropäischen Bronzezeit. Die Metallobjekte haben ihr Hauptvorkommen in Dänemark, deutlich weniger Belege sind aus Schweden, Norwegen und Teilen Norddeutschlands bekannt. Für Westfalen – ganz am südlichen Rand des Verbreitungsgebietes gelegen – ist das hier vorgestellte Rasiermesser aus der Urnenbestattung eines 20 bis 30 Jahre alten Mannes in Ibbenbüren der bisher einzige Fund dieser Art!

Auffällig ist an unserem Stück die vergleichsweise sehr einfache Schiffsdarstellung aus vier parallelen Linien, die zum Bugende hin leicht nach oben abknicken. Darüber befinden sich zwei weitere horizontale Linien, die etwas versetzt angeordnet sind und den Eindruck vermitteln, dass hier die Rückwand des Bootes in perspektivischer Sicht dargestellt werden sollte. Eine kurze diagonale Linie begrenzt das Heck. Die Gravierung zeigt damit ein schlichtes Plankenboot ohne Besatzung, das an heutige Ruderboote erinnert.

Dem gegenüber stehen die meist sehr detaillierten und künstlerisch hochwertigen Ausführungen auf Rasiermessern im dänisch-niedersächsischen Raum. Hier sind die Schiffe weitaus prächtiger und haben meist geschwungene, hochgezogene Steven, die in einem mehr oder weniger stilisierten Tierkopf enden können. Im Regelfall werden diese Boote mit einer – ebenfalls stilisierten – Mannschaft dargestellt.

Während den prunkvollen Schiffsgravierungen des nordischen Kerngebietes ein religiös-mystischer Hintergrund zugesprochen wird, kann man nur rätseln, ob eine ähnliche Deutung auch für die schlichte, eher naturalistische Darstellung auf dem Ibbenbürener Rasiermesser zutrifft. Stilistische Merkmale wie die am Rand eingepunzten Punktreihen belegen, dass dem Graveur die nordischen Vorbilder bekannt gewesen sind.

Vielleicht reichten die künstlerischen Fähigkeiten unseres wohl einheimischen Handwerkers nicht, um die geschwungenen Linien der Vorbilder zu kopieren. Vielleicht war das aber auch gar nicht die Intention und es ging ohne religiös-kultischen Hintergrund einzig um die Abbildung eines realen Schiffes, die – reduziert auf wenige Linien – trefflich gelungen ist.

Rasiermesser wurden in der jüngeren Bronzezeit wohl nicht nur als reine Gebrauchsutensilien gesehen. Neben der Funktionalität könnten auch Aspekte wie eine mystische Symbolik oder Modetrends wichtig gewesen sein. Sie waren offensichtlich prestigeträchtige Accessoires mit größerer Nachfrage: So kommen in Westfalen sowohl Rasiermesser des nordischen Typs vor, als auch im Süden beheimatete Formen (→ Nr. 026), die zum Teil importiert, zum Teil nachgeahmt wurden.

Jürgen Gaffrey

Weiterführende oder zitierte Literatur

Jürgen Gaffrey, Ein Rasiermesser mit Schiffsdarstellung aus dem Gräberfeld »Auf’m Trüssel«. In: Daniel Bérenger/Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008) 120–121.

Flemming Kaul, Ships on Bronzes: A Study in Bronze Age Religion and Iconography. Publications from the National Museum, Studies in Archaeology & History 3,1 und 3,2 (Copenhagen 1998).

Lilian Matthes, Bilder für die Toten in bronzezeitlichen Gräbern Nordeuropas. (Magisterarbeit Westfälische Wilhelms-Universität Münster 1996).