029 Grabinventar
Elite in Westfalen? Reiche Beigaben für ein Mädchen aus gutem Hause
Grabinventar
1 Bronzebecken
1 Tüllenmesser
2 Ringe
5 Spiralröllchen
1 tönerner Spinnwirtel (verschollen)
Fundort
Rheda-Wiedenbrück
Kreis Gütersloh
Fundumstände
Kontext: Grab
Datum: 1911
Objekte
Material: Bronze
Becken: Durchmesser max. 17,6 cm, Höhe mit Ösen 9,0 cm
Ringe: Außendurchmesser 5,9 cm
Messer: Länge 15,2 cm
Spiralen: Länge 3,0 cm
Datierung
9. Jahrhundert v. Chr.
Epoche: Jüngere Bronzezeit
Elite in Westfalen? Reiche Beigaben für ein Mädchen aus gutem Hause
Dieses Geschäft war vermutlich für alle Beteiligten lukrativ: Beim Sandabfahren entdeckte 1911 der Hofjunge eines Meiers in Rheda-Wiedenbrück einige grünliche Gegenstände. Ein Bronzebecken lag umgestülpt über Holzkohle und verbrannten menschlichen Knochen. Daneben befanden sich ein Tüllenmesser, zwei große ineinander verschlungene Ringe, fünf Spiralröllchen und ein heute verschollener tönerner Spinnwirtel. Ein »pfiffiger Schreinermeister«, so Friedrich Langewiesche im ersten publizierten Fundbericht, bekam Wind von diesem Fund und kaufte ihn dem Jungen für 2 Mark – heute ungefähr 10 Euro – ab. Langewiesche wiederum erkannte in dem Ensemble ein ungewöhnliches Grabinventar und erwarb es von dem Schreiner – zu welchem Preis ist unbekannt. So sicherte er der Nachwelt und der Forschung eines der seltenen jüngerbronzezeitlichen Beigabensets, die die Existenz einer gehobenen Gesellschaftsschicht erkennen lassen.
Die zahlreichen Grabstätten der jüngeren Bronzezeit in Westfalen zeichnen sich in der Regel nicht durch besonderen Beigabenreichtum aus. Es ist schon außergewöhnlich, wenn sich in einem Grab neben einer tönernen Urne noch ein kleines Gefäß oder gar ein bronzenes Objekt findet. So kommen nur in wenigen Fällen »typisch weibliche« Gegenstände wie Nadeln oder Armringe oder »typisch männliche« wie Rasiermesser oder Pinzetten vor. Dass in Rheda ein Kind bestattet worden ist, erkannte Langewiesche anhand der Knochen; Ringe, Röllchen und Spinnwirtel lassen annehmen, dass es sich um ein Mädchen gehandelt hat.
Bemerkenswert an dem Fundensemble ist vor allem das kleine, nahezu komplett erhaltene Metallgefäß. Außer der sehr ansprechenden Form des Beckens fällt besonders die aufwendige, fast flächendeckende Verzierung aus Linien und eingepunzten Punkten auf dem Unterteil ins Auge. Die Verzierung und die nicht als Standfläche ausgeprägte Bodenlinse legen den Schluss nahe, dass dies die eigentliche Schauseite war.
Vergleichbare Bronzebecken sind auf westfälischem Boden rar gesät, es gibt nur ein weiteres vollständig erhaltenes und Fragmente von zwei ähnlichen Becken. Dagegen zeigt ein Blick nach Norden, dass ihre Hauptverbreitung von Niedersachsen bis in den skandinavischen Raum reicht. Rätselhaft bleibt allerdings die Funktion. Waren diese Gefäße »Hängebecken«, die man – wo auch immer – aufhängte? Oder »Gürteldosen«, die von Frauen mit der Schauseite nach vorn am Gürtel getragen wurden?
In Rheda markiert das Stück sicherlich eine soziale Elite, die es sich leisten konnte, ihre Vertreterin mit den wertvollen Bronzeobjekten zu bestatten. Durch welche Geschäfte die Familie des Mädchens in der Bronzezeit zu diesem Vermögen kam, wissen wir allerdings nicht.
Birgit Mecke
Museum
Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster
(Dauerleihgabe des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V.)
Weiterführende oder zitierte Literatur
Daniel Bérenger, Ein Bronzefund von Rheda (Nordrheda-Ems) in der archäologischen Sammlung des Historischen Museums Bielefeld. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 81, 1994, 7–27.
Daniel Bérenger, Bronzebecken: Trachtbestandteile oder Zeremonialgegenstände? In: Daniel Bérenger/Christoph Grünewald (Hrsg.), Westfalen in der Bronzezeit (Münster 2008) 17.
Olaf Höckmann, Ein gegossenes Bronzebecken aus Münster-Gittrup. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 11, 2012, 9–148.
Friedrich Langewiesche, Ein Bronzefund in Rheda (Westfalen). Prähistorische Zeitschrift IV, 1912, 383–385.