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031 Antennendolch

Neues Material, neue Sitten – mit feinen Antennen am Puls der Zeit

Antennendolch, Typ Hallstatt

Fundort

Kamen-Südkamen, Körnebachtal

Kreis Unna


Fundumstände

Kontext: Deponierung, Grabungsfund

Datum: 20. September 2004


Objekt

Material: Eisen und Bronze

Länge: noch 20,1 cm (Spitze korrodiert)

Breite: max. 4,9 cm


Datierung 

ca. 600 v. Chr.

Epoche: Frühe Eisenzeit

Kultur: Hallstattzeit


Import

Herstellungsregion: um Hallstatt, Salzkammergut (Österreich)

Herstellungszeit: ca. 600 v. Chr.

Neues Material, neue Sitten – mit feinen Antennen am Puls der Zeit

Wie schon bei den früheren Epochen vollzog sich der Übergang zur Eisenzeit fließend – dafür dann aber in vielen Bereichen. Die Verwendung des neuen Rohstoffs Eisen ist daher nur ein Aspekt, der den Beginn der Eisenzeit markiert. So ändern sich um 800 v. Chr. in Mitteleuropa teilweise die Bestattungssitten, das alte Fernhandelssystem wandelt sich, da nun Eisenerze in den Fokus rücken, die in der Bronzezeit nicht genutzt wurden. Wie zu Beginn der Bronzezeit sind Gegenstände aus dem neuen Metall aber zunächst selten und müssen nach Westfalen importiert werden. Eine eigene westfälische Eisengewinnung ist erst ab dem 6./5. Jahrhundert v. Chr. sowohl im Münster- als auch im Siegerland nachzuweisen.

Mit einem der ältesten westfälischen Eisenfunde verbindet mich eine persönliche Geschichte. Unser ehrenamtlicher Mitarbeiter Ulrich Neumann entdeckte 2004 bei der Renaturierung des Körnebachs bei Kamen eine jungsteinzeitliche Steinaxt, dann ein menschliches Schädeldach – ein einmaliger Befund, den er uns sofort meldete. Zusammen mit dem Grabungstechniker Hermann Menne nutzte ich die Chance auf eine genauere Untersuchung. Wir stießen unter dem Schädeldach auf etwas Metallisches, legten das Fundstück frei und hatten einen kleinen Dolch in der Hand. Auffällig waren die Fortsätze am Griffende, kleinen Antennen gleich – daher der Name »Antennendolch«.

Das Stück besteht aus einer Eisenklinge und einem bronzenen Griffteil und gehört dem Typ Hallstatt an. Das österreichische Hallstatt hat als bedeutender Fundort der frühen Eisenzeit ihren Namen gegeben: Hallstattzeit. Unser Dolch gelangte von dort um 600 v. Chr. nach Westfalen. Es ist der nördlichste Vertreter eines Antennendolches in Mitteleuropa und ein Beleg für die weiten Austauschnetze der Eisenzeit.

Aber warum lag dieses wertvolle Objekt in der Körne, zusammen mit der etwa 4500 Jahre alten Steinaxt und dem Schädeldach eines 2- bis 4-jährigen Kindes? Da der Schädel ebenfalls auf etwa 600 v. Chr. datiert werden konnte, spricht viel für die Annahme, dass alles zusammen deponiert wurde. Die Dinge lagen eng beieinander und es ist bekannt, dass in der Eisenzeit Steinäxte als Kuriositäten aufgesammelt wurden.

Anscheinend hatte eine Familie den Überrest eines viel zu früh verstorbenen Kindes zusammen mit wertvollen Objekten in der Körne versenkt. Vorher war die Leiche, oder zumindest der Schädel, längere Zeit aufbewahrt worden. Ähnliches kennen wir aus südwestfälischen Höhlen, wo menschliche Schädel mit Schmuck, Geräten oder Keramikgefäßen aus der Eisenzeit geborgen wurden, die Überreste spezieller »Sekundärbestattungen« sind. Bei Kamen gibt es keine Höhlen. Hier übernahmen Gewässer diese Rolle.

Michael Baales

Weiterführende oder zitierte Literatur

Michael Baales, Ein besonderer Fund aus einem kleinen Bach – der Antennendolch aus Kamen. In: Jürgen Gaffrey/Eva Cichy/Manuel Zeiler, Westfalen in der Eisenzeit (Darmstadt 2015) 175.

Michael Baales/Eva Cichy, Archäologie im Altarm. Die Renaturierung des Körnebaches bei Kamen (Kr. Unna, Westfalen) – Archäologische Erfahrungen und Ergebnisse als Argumente für eine praktische Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Praehistorische Zeitschrift 84, 2009, 224–247.

Michael Baales/Eva Cichy, Neue Opferfunde des 2. und 1. Jahrtausends vor Christus aus Körnebach und Seseke bei Kamen. In: Georg Eggenstein (Hrsg.), Mensch und Fluss. 7000 Jahre Freunde und Feinde. Ausstellungskatalog Kamen (Bönen 2010) 43–51.

Michael Baales/Cristina Farnié Lobensteiner, Eisenzeitliche »Gewässeropfer« bei Kamen-Südkamen. In: Thomas Otten u. a. (Hrsg.), Fundgeschichten – Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 9 (Mainz 2010) 515–516

Ingmar Luther, Kultische Nutzung? Eisenzeitliche Höhlen in Südwestfalen. In: Jürgen Gaffrey/Eva Cichy/Manuel Zeiler, Westfalen in der Eisenzeit (Darmstadt 2015) 195–197.

Dolch mit eiserner Klinge und einem Griff aus goldener Bronze, dessen Knauf wie zwei Antennen gestaltet ist, Gesamtansicht.

Gesamtansicht des Antennendolches. © LWL/Stefan Brentführer

Dolch mit eiserner Klinge und einem Griff aus goldener Bronze, dessen Knauf wie zwei Antennen gestaltet ist. Blick auf den Griff.

© LWL/Stefan Brentführer