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063 Grabinventar Frühmittelalter

Großer Aufwand für den letzten Auftritt – die letzte Ruhe einer privilegierten Frau

Grabinventar, das mehrere unterschiedliche Gegenstände beinhaltet, darunter ein Glas und Fibeln.

© LWL/Stefan Brentführer

Grabinventar

2 Granatscheibenfibeln
2 Bügelfibeln
1 Bergkristallkugel
1 Keramikgefäß
1 Glasbecher
1 Flachsbreche
2 Messer
1 Bügelschere
1 Spinnwirtel
2 Schnallen
77 Glas- und Bernsteinperlen

Fundort

Ense-Bremen

Kreis Soest


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: 2006


Objekt

Material: Silber, Gold, Granat, Eisen, Glas, Bernstein, Bergkristall, Keramik

Bügelfibel: Länge 8 cm


Datierung 

ca. 560–590

Epoche: Frühmittelalter

Herrschergeschlecht: Merowinger

Großer Aufwand für den letzten Auftritt – die letzte Ruhe einer privilegierten Frau

Der Tod ist in unserer heutigen Gesellschaft mehr und mehr zu einem Tabu geworden und aus unserem Alltag ganz verschwunden. Gestorben wird in der Regel nicht mehr zu Hause, sondern in einem Krankenhaus. Der leblose Körper bleibt dann weitgehend unsichtbar und ist höchstens für die engsten Angehörigen zugänglich. Und auch die Beerdigung selbst ist ein wenig Aufsehen erregendes, sehr privates Ereignis.

In der Vergangenheit war der Umgang mit den Toten jedoch ein ganz anderer und das frühe Mittelalter stellt hier keine Ausnahme dar. Wir wissen, dass die Verstorbenen vor der Beerdigung lange Zeit aufgebahrt wurden und dass ausgedehnte Prozessionen zum Bestattungsplatz stattfanden. Zuweilen wurden bei angesehenen Personen Pferde oder Hunde am Grab getötet und beigesetzt (→ Nr. 066).

In weiten Teilen Europas beerdigte man die Toten im Frühmittelalter wieder unverbrannt. Dabei legte man teilweise große Grabkammern an und gab den Verstorbenen zahlreiche Beigaben mit. Hinterbliebene aller sozialen Schichten setzten viel daran, ihre Toten – und damit ihre Familien – ins rechte Licht zu rücken. So wurden Männer beispielsweise als starke Krieger inszeniert und Frauen als begüterte Anführerinnen des Haushalts.

Eine der schönsten und reichsten Grabausstattungen Westfalens aus dem frühen Mittelalter stammt aus Ense-Bremen. Hier war im 6. Jahrhundert eine erwachsene Frau bestattet worden, die eine herausgehobene Stellung innerhalb der Gemeinschaft hatte. Dies zeigen die großen silbernen Bügelfibeln und die kleineren mit Granaten besetzten Scheibenfibeln an. Der Schmuck umfasst zudem zahlreiche Perlen aus Glas und Bernstein und einen mit Silberbändern eingefassten Bergkristall, der wohl eine Art Amulett war. Schon antike Schriftsteller schrieben diesem Material eine heilsame Wirkung zu. Ein kleiner Spinnwirtel und eine sogenannte Flachsbreche stehen symbolisch für eine führende Rolle im Textilhandwerk. Das Keramikgefäß enthielt vermutlich Speisebeigaben, der kostbare Glasbecher steht in Verbindung mit gehobenen Tischsitten. Während das Anlegen einer Grabkammer und die kostbaren Beigaben starke Verbindungen mit den Franken im Westen anzeigen, sind die Pferdebestattungen im Umfeld eher für den sächsischen und thüringischen Bereich typisch.

Gräber, wie das aus Ense-Bremen, liefern den Archäologen wahre Fundmassen und machen deutlich, welche Reichtümer man früher der Erde für eine gelungene Statusrepräsentation anvertraute. Sie lassen uns damit auch die Welt der Lebenden erschließen und zeigen, in welche Austauschnetzwerke die damalige Bevölkerung eingebunden war und wem sie sich kulturell verbunden fühlte.

Stephan Deiters

Museum/Archiv

Granatscheibenfibeln: LWL-Museum in der Kaiserpfalz, Paderborn

Rest: Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Stephan Deiters, Das Gräberfeld von Ense-Bremen. Ausstellungskatalog Ense-Bremen (Münster 2007).

Ulrike Müssemeier/Elke Nieveler/Ruth Plum/Heike Pöppelmann, Chronologie der merowingerzeitlichen Grabfunde vom linken Niederrhein bis zur nördlichen Eifel. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland 15 (Köln 2003).

Frank Siegmund, Merowingerzeit am Niederrhein. Die frühmittelalterlichen Funde aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf und dem Kreis Heinsberg. Mit einem Beitrag von Ulrich Jux. Rheinische Ausgrabungen 34 (Köln 1998).

Frank Siegmund, Alemannen und Franken. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde – Ergänzungsbände 23 (Berlin 2000).