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064 Ringschwert

Ein Ringpaar als Zeichen tiefer Treue

Oberer Abschnitt eines Ringschwertes mit rekonstruiertem Knauf und Resten einer sehr gut erhaltenen Schwertscheide.

© LWL/Stefan Brentführer

Ringschwert

Fundort

Bad Wünnenberg-Fürstenberg

Kreis Paderborn


Fundumstände

Kontext: Grab

Datum: Sommer 1983


Objekt

Material: Eisen, Silber (vergoldet), Holz, Fell, Leder, Bast

Länge: 91,3 cm

Breite: 6,4 cm


Datierung 

565–590

Epoche: Frühmittelalter

Herrschergeschlecht: Merowinger


Import

Herstellungsort: vermutlich fränkisches Reich

Herstellungszeit: vermutlich Anfang 6. Jahrhundert

Ein Ringpaar als Zeichen tiefer Treue

Ein Schwert wie aus einer Legende, mit schimmernden Schweißmustern auf der Klinge und einem goldglänzenden Knauf. Im frühen Mittelalter dürfte man dieser prunkvollen Waffe mit einiger Ehrfurcht begegnet sein. Doch erst ein unscheinbares Detail am Griff macht sie und ihren Besitzer zu etwas Besonderem.

Wie zu dieser Zeit üblich, ist die Waffe aus Bad Wünnenberg-Fürstenberg in einem aufwendigen Schmiedeprozess entstanden, bei dem verschiedene Komponenten im Feuer miteinander verschweißt wurden. Als Ergebnis zeigten sich einst filigrane Muster auf der Klingenoberfläche. Heute werden diese zwar von einer der am besten erhaltenen merowingerzeitlichen Schwertscheiden Europas verdeckt, konnten aber mithilfe der Computertomografie sichtbar gemacht werden. Die überaus hochwertige Waffe mit den filigranen Schweißstrukturen ist eine fehlerfreie und sehr ebenmäßige Schmiedearbeit, die wohl nicht vor Ort hergestellt worden war.

Noch deutlich mehr Aufsehen dürfte allerdings der kleine Beschlag am Griffende erregt haben. Er besteht aus einem Niet ohne Funktion, dessen Kopf einen Bogen bildet. Darin eingehängt ist ein vollständiger, beweglicher Ring. Waffen mit solch einem Beschlag werden von den Archäologen als Ringschwerter bezeichnet. Die wenigen bekannten Funde stammen aus einem sehr großen Gebiet, das von Skandinavien bis Norditalien und von den britischen Inseln bis Deutschland reicht. In Westfalen ist nur ein weiteres Exemplar aus einem besonders reich ausgestatteten Grab in Beckum (→ Nr. 066) geborgen worden.

Es ist jedoch nicht nur ihre Seltenheit, die die Ringpaare so interessant macht. Sie gelten zudem als einer der wenigen archäologischen Belege für das frühmittelalterliche Gefolgschaftswesen. Die Ringpaare wurden vom Gefolgsherrn, in der Regel dem König oder einer anderen sozial sehr hochstehenden Persönlichkeit, an sein Gefolge verliehen. Diese verdienten Krieger hatten zumeist selbst bedeutende gesellschaftliche Positionen inne. Die Ringe waren das für jedermann sichtbare Zeichen dieses Verhältnisses, das freiwillig war und auf gegenseitiger Treue basierte. Der Gefolgsmann beriet seinen Gefolgsherrn und verpflichtete sich zur Unterstützung, unter anderem im Kampf, der Gefolgsherr sicherte dem Untergebenen seinerseits Schutz und einen Anteil etwa an erbeuteten Gütern zu.

Der Tote aus Bad Wünnenberg-Fürstenberg verkehrte also zumindest zeitweise in höchsten gesellschaftlichen Kreisen. Starke Abnutzungsspuren, auch am Ringpaar, zeigen zudem, dass er sicher nicht der erste Besitzer dieser bedeutenden Waffe war. Ob er das Schwert samt Stellung von seinem Vater erbte, bleibt uns jedoch ebenso verborgen wie der Name seines Gefolgsherrn.

Ulrich Lehmann

Museum

Weiterführende oder zitierte Literatur

Jos Bazelmans, Beyond Power. Ceremonial Exchanges in Beowulf. In: Frans Theuws/Janet L. Nelson (Hrsg.), Rituals of Power. From Late Antiquity to the Early Middle Ages. The Transformation of the Roman World 8 (Leiden/Boston/Köln 2000) 311–375.

Ulrich Lehmann, Wurmbunte Klingen. Studien zu Konstruktion, Herstellung und Wertigkeit der frühmittelalterlichen Spatha in Westfalen. Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen 21 (Münster 2016).

Walter Melzer, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Wünnenberg-Fürstenberg, Kreis Paderborn. Bodenaltertümer Westfalens (Münster 1991).

Heiko Steuer, Helm und Ringschwert. Prunkbewaffnung und Rangabzeichen germanischer Krieger. Eine Übersicht. Studien zur Sachsenforschung 6, 1987, 190–236.

Gesamtansicht des Ringschwertes mit rekonstruiertem Knauf und Resten einer sehr gut erhaltenen Schwertscheide.

Gesamtansicht des Ringschwertes mit rekonstruiertem Knauf und Resten der sehr gut erhaltenen Schwertscheide. © LWL/Stefan Brentführer

Detailaufnahme des Ringes am Knauf. © LWL/Stefan Brentführer

Detailaufnahme des Ringes am Knauf. © LWL/Stefan Brentführer

Video

Sie sehen aus wie Würmer, Drachen, fabulöse Wesen: Die Verzierungen frühmittelalterlicher Schwerter sind faszinierend. Wie aufwendig Schwertklingen im Frühmittelalter hergestellt wurden und welche inzwischen längst vergessenen Techniken dafür erforderlich sind, zeigt ein 10 minütiger Film, in dem eins der glänzenden Exemplare nachgeschmiedet wird.