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067 Filigranscheibenfibel

Kostbarkeiten des frühmittelalterlichen Goldschmiedehandwerks

Scheibenfibel mit Filigranauflagen aus feinen Golddrähten sowie roten, grünen und blauen Füllungen.

© LWL/Stefan Brentführer

Filigranscheibenfibel

Fundort

Soest

Kreis Soest


Fundumstände

Kontext: Grab 165

Datum: 1930


Objekt

Material: Gold mit Glaseinlagen

Durchmesser: 3,5 cm

Höhe: 1,0 cm


Datierung 

630–660

Epoche: Frühmittelalter

Herrschergeschlecht: Merowinger


Import 

630 – 660

Herstellungsregion: unbekannt

Kostbarkeiten des frühmittelalterlichen Goldschmiedehandwerks

Die Goldschmiedekunst wurde in vielen Epochen mit großem Geschick betrieben, im frühen Mittelalter erreichten die Handwerker jedoch eine einzigartige Perfektion. Zahlreiche Arbeitstechniken wurden meisterlich beherrscht und miteinander kombiniert. Das Ergebnis sind Schmuckstücke, die – obwohl sie ohne moderne Hilfsmittel wie Lupen oder elektrische Werkzeuge entstanden – heute selbst von ausgewiesenen Fachleuten kaum in derselben Qualität hergestellt werden können.

Eines dieser herausragenden Prunkobjekte ist die sogenannte Filigranscheibenfibel aus Soest. Sie stammt aus dem Grab einer mit reichen Beigaben bestatteten Frau und lässt sich in die Mitte des 7. Jahrhunderts datieren. Der Lage im Grab nach dürfte das Schmuckstück zur Befestigung eines Perlenschmucks auf der rechten Schulter gedient haben. Die Fibel besteht aus einer feuervergoldeten Grundplatte aus Bronze und einer Deckplatte aus massivem Gold. Auf der kleinen Platte mit einem Durchmesser von lediglich 35 mm befinden sich Fassungen für nicht weniger als 111 Einlagen. Sie wurden entweder in der Cloisonné-Technik im Zellwerk oder einzeln eingefasst. Die Zwischenräume zieren Filigranauflagen aus feinsten Golddrähten. 

Mit ihrer Kombination aus überwiegend roten Füllungen und goldenen Rahmenwerken zeigt unsere Fibel einen beliebten Schmuckstil, der im 5. Jahrhundert aufkam und in ganz Europa verbreitet war. Vielfach verwendete man hierfür Almandine, also Halbedelsteine aus der großen Gruppe der Granate. Obwohl Almandine durchaus auch in Deutschland vorkommen, belegen Materialanalysen, dass die Goldschmiede vielfach auf Importe aus Indien und Sri Lanka zurückgreifen konnten.

Neueste naturwissenschaftliche Untersuchungen offenbaren jedoch, dass für das Soester Stück keine kostbaren Juwelen verwendet wurden: Die farbigen Einlagen bestehen ausnahmslos aus buntem Glas! War das Schmuckstück also eine minderwertige Imitation? Sehr wahrscheinlich ist das nicht, denn auch die Herstellung von durchscheinendem, farbigem Glas ohne größere Unreinheiten erforderte spezielle Kenntnisse und eine hohe Handwerkskunst. Trotzdem zeigt sich hier exemplarisch, dass die regen Handelskontakte mit dem Osten im 7. Jahrhundert deutlich zurückgingen.

Die reichen Beigaben weisen die Tote aus Soest zusammen mit einigen weiteren hier bestatteten Frauen als Angehörige einer lokalen Oberschicht aus. Durch die hohe soziale Stellung hatten sie sicherlich gute Verbindungen und damit auch Zugriff auf begehrte, außergewöhnliche Schmuckstücke. Ob der Trägerin bewusst war, dass ihre Fibel »nur« Glaseinlagen besaß, und ob dieses Wissen für sie eine Rolle gespielt hätte, lässt sich jedoch nicht mehr sagen.

Walter Melzer

Weiterführende oder zitierte Literatur

Susanne Greiff, Naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Frage der Rohstoffquellen für frühmittelalterlichen Almandingranatschmuck rheinfränkischer Provenienz. Jahrbuch RGZM 45, 1998 (1999), 599–645.

Susanne Greiff/Sonngard Hartmann, Herkunftsbestimmung mittelalterlicher Granate. Jahrbuch RGZM 56,3, 2009 (2010), 83–84.

Susanne Jülich/Eugen Müsch, Die Herstellung der Filigrangoldscheibenfibel aus Soest in der Computeranimation. Archäologie in Westfalen-Lippe 2018, 2019, 289–292.

Daniel Peters, Fremde Einflüsse in Westfalen – Ergebnisse der Strontium-Isotopenanalyse zweier Frauengräber aus Soest. In: Christoph Grünewald/Torsten Capelle (Hrsg.), Innere Strukturen von Gräberfeldern als Spiegel gesellschaftlicher Wirklichkeit? Akten des 57. Internationalen Sachsensymposiums vom 26. bis 30. August 2006 in Münster (Münster 2007) 43–47.

Daniel Peters, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Soest – Studien zur Gesellschaft in Grenzraum und Epochenumbruch. Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen 19 (Münster 2011).