076 Hirschleuchter
Ein Hirsch bezeugt Feuer und Flamme
Leuchter in Hirschform
Fundort
Hamm
Kreisfreie Stadt Hamm
Fundumstände
Kontext: Siedlung
Datum: 2002
Objekt
Material: Kupferlegierung
Länge: ca. 12 cm
Höhe: 12,4 cm
Datierung
1100–1200
Epoche: Hochmittelalter
Herrschergeschlecht: Staufer
Stilepoche: Romanik
Ein Hirsch bezeugt Feuer und Flamme
Brandschichten erfreuen das Herz eines Archäologen! Oft bergen sie seltene Funde – wertvolle Metallgegenstände zum Beispiel, die man vor der Brandkatastrophe nicht mehr retten konnte. So war es auch auf einem mittelalterlichen Hof in Hamm. Worum es sich bei dem Gegenstand aus einer Brandschicht handelte, war vor Ort allerdings nicht zu erkennen. Offensichtlich befand sich unter der Patina ein Tierkörper, wir tippten auf eine Kuh. Bei der Restaurierung entpuppte sich aber das vermeintliche Kuhhorn als Geweih und das Objekt wurde zu einem Kerzenleuchter in Hirschform.
Da Kerzenlicht im Mittelalter ein Luxus war, den sich nur Adel und Klerus leisten konnten, war dieser Fund auf einem einfachen Bauernhof eine Überraschung. Nach und nach kamen aber Gegenstände zutage, die zeigten, dass sich hier keine kleinen Leute um ein karges Auskommen sorgten. Ihre Liste ist lang: Mehrere Truhenschlösser zeugten von schützenswertem Eigentum, eine Gemme mit Reiterdarstellung diente wohl als Siegelring, Reitersporen und Teile von Pferdegeschirr verwiesen auf die Anwesenheit von Berittenen und auch der große Anteil von aus dem Rheinland importierter Keramik passte zu wohlhabenden Einwohnern.
Die dokumentierten Hausgrundrisse entsprachen ebenfalls nicht gerade dem üblichen Bild eines bäuerlichen Anwesens: Das Wohngebäude war der bislang größte mittelalterliche Bau in Westfalen und mit einem Keller ausgestattet, über dem sich vermutlich eine Wohnkammer befand. Um den offenen Hof gruppierten sich mehrere ebenfalls große Nebengebäude. Die ganze Anlage wurde durch Zaun und Graben gesichert.
Vor allem die Nebengebäude halfen bei der Interpretation des Hofes. Bei ihnen handelte es sich um große Scheunen, in denen wohl riesige Mengen Getreide gelagert wurden. Zeitgenössische Quellen berichten von ähnlichen Gebäudekomplexen, etwa von einem umzäunten Herrenhof in Nordfrankreich: Es ist die Rede von einem königlichen Haus aus Holz mit einer Kammer, einem Keller und einem Stall, außerdem drei Unterkünften für Gesinde, zwei Speichern, einer Küche, einem Backhaus und drei Scheunen.
Diese Herrenhöfe standen unter der Grundherrschaft von Adel oder Klöstern. Bewirtschaftet wurden sie von eigens eingesetzten Verwaltern, sogenannten Meiern oder Ministerialen, die für ihre Herren die Abgaben der umliegenden Bauernhöfe eintrieben. Es waren durchaus lukrative Posten, die mit einer bedeutsamen Stellung verbunden waren. Einige Verwalter beanspruchten sogar den Rang eines niedrigen Adeligen und statteten sich mit ritterlichen Insignien wie Waffen und Reitzubehör aus. So verwundert es nicht, dass die Funde von unserem Hof am ehesten denen eines Adelssitzes entsprechen.
Eva Cichy
Museum
LWL-Museum für Archäologie, Herne
Weiterführende oder zitierte Literatur
Eva Cichy, Der Siedlungsplatz Hamm-Westhafen. Bodenaltertümer Westfalens 46 (Mainz 2008).
Reinhard Schneider, Kapitularien. In: Arno Borst/Josef Fleckenstein (Hrsg.), Historische Texte, Mittelalter 5 (Göttingen 1968).