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087 Harnischbrust

Gerüstet und gewappnet in Schlacht und Turnier

Metallene Harnischbrust, versehen mit Schnallen und Punzierungen am Rand sowie um die Löchern herum.

© LWL/Stefan Brentführer

Harnischbrust für Kolbenturnier

Fundort

Witten, Haus Herbede

Ennepe-Ruhr-Kreis


Fundumstände

Kontext: Rittergut

Datum: 1986


Objekt

Material: Eisen, Buntmetall

Höhe: 29,5 cm


Datierung 

spätes 14./frühes 15. Jahrhundert

Epoche: Spätmittelalter

Stilepoche: Renaissance

Gerüstet und gewappnet in Schlacht und Turnier

Der zum Kampf oder Turnier gerüstete Ritter – dieses Bild fällt wohl vielen zuerst ein, wenn sie an das europäische Mittelalter denken. Es geht auf die Gedichte und Romane sowie auf die bildlichen Darstellungen aus diesen Epochen zurück. Und heute vermitteln Comics, Spiele und Hollywood-Blockbuster ein Bild vom abendländischen Ritter und seiner Lebenswelt, das mit der historischen Wirklichkeit kaum in Übereinstimmung zu bringen ist. Harnisch, Waffen und Turniere gehören zu dieser Faszination für das Rittertum und den in der Regel idealisierten mittelalterlichen Protagonisten. Um dieses Bild mit der damaligen Realität abzugleichen, muss sich die Forschung vorwiegend auf Schrift- und Bildquellen stützen, da nur wenige Originale in Waffenkammern und noch weniger als archäologische Funde überliefert sind.

Somit erregten die spätmittelalterlichen Rüstungsbestandteile der Waffenkammer des Hauses Herbede nach ihrer Auffindung im Brandschutt eines Kellers weltweites Aufsehen, stellen sie doch einen einzigartigen archäologischen Fundkomplex mit einmaligen Objekten dar. Hierzu gehörten die perforierte Brustplatte und Fragmente eines voluminösen Helmes mit gitterförmigem Visier und heraldischer Helmzier, die man zusammen beim Kolbenturnier trug. Das Wappen findet sich auch auf Schild und Satteldecke wieder.

Die Turnierbrust wurde mit Löchern versehen, um Gewicht zu sparen – und um dem Träger so das Atmen zu erleichtern. Beim Turnier schlugen die teilnehmenden Ritter mit hölzernen Kolben und stumpfen Schwertern auf die gegnerischen Reiter ein und versuchten deren Helmzierden zu zerstören. Hier war maximaler Schutz gefragt, trotzdem gab es immer wieder Tote.

Neben dem Kolbenturnier, das als Gruppenkampf ausgetragen wurde, zählte das »Gestech« zu den Ritterspielen. Bei diesem Zweikampf zu Pferd versuchten die Ritter ihren Gegner mit einer stumpfen Lanze aus dem Sattel zu »stechen«. Sowohl die Frontplatte eines frühen Stechhelms als auch zwei stumpfe Turnierlanzenspitzen gehören zu den Funden aus Herbede, außerdem auch Bestandteile einer Brigantine, Teile vom Arm- und Beinzeug, Rüsthaken, Brechscheiben, Armbrustbolzen und anderes mehr.

In ihrer Zusammenstellung liefern die Funde aus Haus Herbede einen seltenen Einblick in die Waffenkammer eines kleinen Adelshaushaltes im 14. und 15. Jahrhundert. Kriegsausrüstung war allgegenwärtig, dabei überrascht nicht, dass ältere Rüstungsteile mit jüngeren kombiniert wurden. Der Komplex stellt einen faszinierenden Beweis für den hohen Status dar, den die Ritterspiele selbst beim niederen Adel hatten.

Hans-Werner Peine

Weiterführende oder zitierte Literatur

Dirk Breiding, Harnisch und Waffen des Hoch- und Spätmittelalters. In: LWL-Museum für Archäologie-Westfälisches Landesmuseum Herne (Hrsg.), Ritter, Burgen und Intrigen. Aufruhr 1225! Das Mittelalter an Rhein und Ruhr (Mainz 2010) 129–146.

Gabriele Isenberg/Hans-Werner Peine/Andreas Weisgerber, Haus Herbede – die archäologische Erforschung eines kleineren Herrensitzes an der Ruhr. Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 70, 1992, 361–399.

Hans-Werner Peine, Herrschaft und Repräsentation. Burgen, Bergrecht, Adel. In: Wilfried Menghin/Dieter Planck (Hrsg.), Menschen, Zeiten, Räume – Archäologie in Deutschland. Ausstellungskatalog Berlin (Stuttgart 2002) 383–388.

Hans-Werner Peine, Ein Blick in die Waffenkammer des Hauses Herbede an der Ruhr. In: Konrad Spindler/Harald Stadler (Hrsg.), Das Brigantinen-Symposium auf Schloss Tirol. Bauforschung auf Schloss Tirol 3 (Bozen 2004) S. 40-77.

Hans-Werner Peine/Dirk H. Breiding, An Important Find of Late 14th and Early 15th Century Arms and Armour from Haus Herbede, Westphalia. The Journal of The Arms & Armour Society XIX, No.1, 2007, 1–28.