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010 Jadeitbeil

Jadeitbeile – europäische Statussymbole in der Jungsteinzeit

Jadeitbeil, das Beil ist flach und schmal, es läuft an einer Seite spitz zu, es ist von leicht grünlicher Farbe.

© LWL/Stefan Brentführer

Jadeitbeil

Fundort

Soest, Ritterstraße 2

Kreis Soest


Fundumstände

Kontext: Einzelfund

Datum: 1909


Objekt

Material: Jadeit

Länge: 38,3 cm

Breite: 8,6 cm

Dicke: 2,2 cm


Datierung 

4000 v. Chr.

Epoche: Jungneolithikum

Kultur: Michelsberger Kultur


Import

Herstellungsregion: Monte Viso und Monte Beigua, Westalpen (Italien)

Herstellungszeit: 5200–4000 v. Chr.

Jadeitbeile – europäische Statussymbole in der Jungsteinzeit

Als Werkzeug ist dieses Beil aus dem grünlich schimmernden Gestein Jadeit denkbar ungeeignet – dafür aber überaus repräsentativ! Um ein solches Objekt ihr Eigen nennen zu können, scheuten die Menschen vor über 7000 Jahren weder Kosten noch Mühen. Damals ließ sich der in Europa äußerst seltene Jadeit nur an zwei schwer zugänglichen, hochalpinen Stellen in den italienischen Westalpen abbauen. Um daraus die prächtigen Beilklingen herzustellen, sprengte man das sehr harte Gestein mithilfe von Feuer aus freigewitterten Felsblöcken heraus. Die kostbaren Objekte erhielten ihre endgültige Form dann an den verschiedensten Orten in Norditalien, Ostfrankreich und der Bretagne. Anschließend verhandelte man sie nach ganz Westeuropa und in Teile Mitteleuropas. Die Beile belegen somit die weitreichenden Kontakte, die bereits in der Jungsteinzeit ein europaweites Geschäft mit besonderen Produkten ermöglichten.

Jedes der über 2000 Jadeitbeile, die an weit verstreuten Fundstellen in ganz Europa entdeckt wurden, legte also einen langen Weg zurück. Während man sie in der Bretagne verstorbenen Angehörigen einer Elite in die Gräber mitgegeben hat, bleiben sie in Deutschland meist ohne einen solchen Kontext. Hier wurden die in der Regel unbeschädigten Beile oft einfach paarweise im Boden vergraben.

Die Menschen benutzten die wertvollen Beile offensichtlich nicht als Arbeitsgeräte und gaben sie über Generationen weiter. Sie müssen in der Jungsteinzeit eine ganz besondere Bedeutung und einen hohen Wert gehabt haben, der weit über dem eines einfachen Werkzeuges lag und sich uns heute nicht mehr erschließt.

Ein herausragendes Einzelobjekt stellt das Prunkbeil aus der Ritterstraße in Soest dar. Es ist das größte in Westfalen gefundene Jadeitbeil und gehört insgesamt zu den größten dieses Typs.

Dass in Soest ein solches Stück gefunden wurde, ist sicher kein Zufall, denn in der Soester Altstadt befand sich in der ersten Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr. ein sogenanntes Erdwerk. Dabei handelt es sich um ein Areal mit einem Durchmesser von mehreren Hundert Metern, das von einem breiten Graben umgeben war und eine zentrale Bedeutung für die Menschen im Umland hatte. In der Forschung werden verschiedene Deutungen dieser monumentalen Befestigungen diskutiert, zum Beispiel als Viehgehege, Siedlung, Heiligtum oder Bestattungsplatz. Eines ist jedoch sicher: Solch massive Erdbewegungen konnten nur von vielen Personen aus der ganzen Umgebung durchgeführt werden, die die Anlage später sicher auch gemeinsam nutzten. Das vergrabene Jadeitbeil zeugt somit vielleicht sogar von einer überregionalen Bedeutung des Platzes.

Ingo Pfeffer

Museum

Weiterführende oder zitierte Literatur

Daniel Bérenger, Von Nordwestitalien bis nach Lübbecke. Ein neolithisches Prunkbeil vom Typ Altenstadt. Archäologie in Ostwestfalen 3, 1998, 29–31.

Daniel Bérenger, Vom Stein und Sein. Importierte Jadeitbeile und ihre gesellschaftliche Bedeutung. In: Thomas Otten u.a. (Hrsg.), Revolution Jungsteinzeit. Ausstellungkatalog Bonn, Detmold, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 11,1 (Darmstadt 2015) 213–219.

Heinrich Diedrichs, Vor- und Frühgeschichte im Kreise Soest. Soester Zeitschrift 60, 1943, 5–37.

Benedikt Knoche, Eine exzeptionelle Jadeitit-Beilklinge aus Soest. In: Walter Melzer (Hrsg.), Neue Forschungen zum Neolithikum in Soest und am Hellweg. Soester Beiträge zur Archäologie 13 (Soest 2013) 299–314.

Pierre Pétrequin/Anne-Marie Pétrequin/Michel Errera/Lutz Klassen, Naturwissenschaftliche Analysen an neolithischen Jadeitbeilen. Archäologie im Rheinland 2006 (2007) 58–60.

Pierre Pétrequin/Serge Cassen/Lutz Klassen, Zwischen Atlantik und Schwarzem Meer. Die großen Beile aus alpinem Jadeit im 5. und 4. Jt. v. Chr. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.), Jungsteinzeit im Umbruch. Die »Michelsberger Kultur« und Mitteleuropa vor 6000 Jahren (Darmstadt 2010) 191–197.