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048 Dolch mit Scheide

Römische Waffen – normierte Fabrikate auf hohem Niveau

Dolch mit Scheide, Typ Vindonissa

Fundort

Haltern am See

Kreis Recklinghausen

 

Fundumstände

Kontext: römische Nekropole, Kreisgraben um einen Grabhügel

Funddatum: 10. April 2019

 

Objekt

Material: Eisen, Silber, Buntmetall, Holz, Leder, Email

Länge mit Scheide: 35,0 cm

Breite mit Scheide: 6,2 cm

 

Datierung 

um Chr. Geb.

Epoche: frühe römische Kaiserzeit

Kultur: römisch

Römische Waffen – normierte Fabrikate auf hohem Niveau

Ob die damals in Westfalen lebenden Germanen ahnten, was in den nächsten Jahren passieren würde, als die römischen Legionen den Rhein überschritten, um dauerhaft ihr Territorium zu besetzen? Die einmarschierenden Soldaten dürften sicherlich einen furchterregenden Anblick geboten haben. Nach allem, was wir wissen, waren die germanischen Krieger im Allgemeinen eher leicht ausgerüstet und individuell bewaffnet; große, wie ein Mann agierende Heeresverbände waren ihnen fremd. Hier bekamen sie es nun mit einem Gegner zu tun, der nicht nur zahlreiche Kämpfer aufbieten konnte, sondern auch bestens organisiert war.

Die Ausrüstung der römischen Soldaten spiegelte den straffen Aufbau und die gute Versorgung der Armee wider: Die standardisierte Bewaffnung eines jeden Mannes bestand aus Helm, Brustpanzer, Kurzschwert (gladius) und einem Dolch (pugio) als zweiter Seitenwaffe. Zur Zeit des Kaisers Augustus trug der römische Legionär zwei sich kreuzende Ledergürtel, die jeweils mit rechteckigen Metallbeschlägen verziert waren. An einem war das Kurzschwert befestigt, an dem anderen der Dolch. Diese Trageweise wird auch Cowboystil genannt. Der mit Metall beschlagene Gürtel war das eigentliche Erkennungszeichen des römischen Soldaten. Unser heutiges Bild eines Legionärs prägt aber vor allem das Schwert. Der Gladius war die wichtigste Nahkampfwaffe, doch im Notfall konnte der Dolch als Ersatzwaffe dienen.

Ein solcher silbern glänzender Gürtel und der zugehörige Dolch waren vor über 2000 Jahren behutsam auf der Sohle eines Kreisgrabens niedergelegt worden, der im augusteischen Gräberfeld in Haltern am See einen Grabhügel umschloss. Erst als Archäologen im Frühjahr 2019 diesen Bereich untersuchten, kam er wieder zum Vorschein – gerade noch rechtzeitig, um nach der aufwendigen Restaurierung hier präsentiert werden zu können. Der Militärgürtel und der Dolch sind für uns heute wahre Prachtstücke, da europaweit kein anderes Ensemble so vollständig und so gut erhalten ist. Griff und Scheide sind kunstvoll verziert, der Dolch lässt sich sogar noch aus der Scheide nehmen. Und auch der ehemalige Besitzer wird ihn sicherlich mit Stolz getragen haben. Manchmal versahen Legionäre ihre Waffen mit ihren Namen; bei unserem Stück bleibt der einstige Besitzer aber leider unbekannt.

Es entsprach übrigens nicht den damals üblichen Bestattungssitten, dem Verstorbenen Waffen mit ins Grab zu geben. Vielleicht war es der letzte Wille seines Besitzers, dass Gürtel und Dolch – die einen erheblichen materiellen Wert besaßen – in unmittelbarer Nähe seiner letzten Ruhestätte deponiert wurden. In diesem Fall hätte einer seiner Hinterbliebenen beides am äußersten Rand des Grabhügels sorgfältig niedergelegt. Oder war es nur ein Versteck?

Museum

 

Zentrales Fundarchiv der LWL-Archäologie für Westfalen, Münster (nicht öffentlich zugänglich);

ab 2022 LWLRömermuseum, Haltern am See

Weiterführende oder zitierte Literatur

Marcus Junkelmann, Die Legionen des Augustus 15(München 2015). 

Jürgen Obmann, Studien zu römischen Dolchscheiden des 1. Jahrhunderts n. Chr. Archäologische Zeugnisse und bildliche Überlieferung. Kölner Studien zur Archäologie der römischen Provinzen 4 (Rahden 2000). 

Marco Saliola/Fabrizio Casprini, Pugio – Glasius brevis est. History and Technology of the Roman Battle Dagger. British Archaeological Reports, International Series 2404 (Oxford 2012). 

Ian R. Scott, First Century Military Daggers and the Manufacture and Supply of Weapons for the Roman Army. In: Mike C. Bishop (Hrsg.), The Production and Distribution of Roman Military Equipment. Proceedings of the Second Roman Military Equipment Research Seminar. British Archaeological Reports, International Series 275 (Oxford 1985) 160–213. 

Herbert Westphal, Ein römischer Prunkdolch aus Haltern. Untersuchungen zur Schmiedetechnik und Konstruktion. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 9B, 1995, 95–109. 

Silbern glänzender Dolch und Dolchscheide, beide mit mit grafischen Mustern und runden, roten Einlagen verziert.

© LWL/Stefan Brentführer

Video

In einem diesem Film gibt es Hintergrundinfos zur Fundsituation des Dolches, es wird gezeigt, wie der noch unrestaurierte Dolch geröntgt wird und man bekommt einen EInblick in die aufwendige Restaurierung.