050 Adlerlampe
Wo viel Licht ist, ist starker Schatten
Adlerlampe
Fundort
Haltern am See, Arminiusstraße 41
Kreis Recklinghausen
Fundumstände
Kontext: Römisches Hauptlager, Einzelfund
Funddatum: 2. März 1954
Objekt
Material: Bronze
Höhe: 12,5 cm
Länge: 14,3 cm
Datierung
um Chr. Geb.
Epoche: Frühe römische Kaiserzeit
Kultur: Römisch
Wo viel Licht ist, ist starker Schatten
Die künstlichen Lichtquellen in der griechischen und römischen Welt waren wenig effizient. Fackeln, Öllampen, Talglampen und Kerzen waren als Lichtquellen bekannt. Die Tages- und Arbeitsabläufe wurden weitgehend vom Tageslicht bestimmt. Mit dem Untergang der Sonne stand man auf der Straße im Dunkeln und in den Innenräumen der Häuser herrschten eingeschränkte Lichtverhältnisse.
Neben der geringen Lichtausbeute besaßen die damaligen Leuchtmittel einen gravierenden Nachteil: Sie rußten und sonderten Gerüche ab. Der Dichter Juvenal schilderte die Situation in einem Klassenzimmer. Die von den Schülern angezündeten Lampen verbreiteten nicht nur einen üblen Gestank, sondern sie verfärbten ein dort aufgehängtes Portrait des Horaz und überzogen die Büste des Vergil gar mit schwarzem Ruß.
Gewöhnlich werden römische Öllampen als billige Massenware aus Ton hergestellt, meist mit verschiedensten Motiven verziert (→ Nr. 053). Unsere Lampe besteht hingegen aus massiver Bronze. Sie wurde bei einem Hausbau in Haltern am See vom Bauherrn Meißwinkel selbst gefunden. Dieser übergab sie – anders als manch anderer – dem damaligen Römisch-Germanischen Museum Haltern. Das Fundstück ist dem römischen Hauptlager zuzuordnen. Um die Zeitenwende entstanden im Umfeld der Fundstelle mehrere Kasernen. Dem archäologischen Befund zufolge gehörte die Bronzelampe einst einem Centurio, dem Befehlshaber einer Hundertschaft. Der damalige Besitzer der Lampe zählte damit rangmäßig nicht zur militärischen Führungselite.
Die Bronzelampe ist in der Gestalt eines stark stilisierten Greifvogels, vermutlich eines Adlers, mit ausgebreiteten Schwingen gearbeitet. Sie wurde im Hohlgussverfahren hergestellt. Einige Details sind nachträglich in Kaltarbeit ausgeführt. Aus der Brust des Vogels tritt eine lange, breite Schnauze mit ansatzweise ausgebildeten seitlichen Voluten hervor. Am Ende der halbrunden Lampenschnauze befindet sich ein großes Brennerloch für die Aufnahme des Dochtes. Der Vogelkopf ist abnehmbar, um die Lampe mit Brennöl füllen zu können. Die ursprünglich eingelegten Augen fehlen.
Bronzelampen unterschiedlichster Gestalt sind generell nichts Ungewöhnliches. Die Adlerlampe von Haltern gehört zu den ältesten Vogellampen der römischen Kaiserzeit. Sie zählt nicht gerade zu den meisterlichen Schöpfungen römischen Kunsthandwerks. Wohl ausgehend von der groben Ausführung vermutete Siegmar von Schurbein eine Herstellung in einer gallischen Provinzwerkstatt. Für eine solche Zuweisung fehlen aber eindeutige Parallelen. Die Herstellung qualitativ ebenso wenig überzeugender Bronzelampen ließe sich auch in Italien und in anderen Regionen der mediterranen Welt nachweisen.
Johann-Sebastian Kühlborn
Museum
LWL-Römermuseum, Haltern am See
Weiterführende oder zitierte Literatur
Hans Aschemeyer, Die Grabungen im Lager von Haltern seit 1953. Germania 37, 1959, 287–291.
Peter La Baume, Römisches Kunstgewerbe zwischen Christi Geburt und 400. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber (Braunschweig 1964) bes. 182, Abb. 169.
Juvenal, Satiren. Drittes Buch, Siebte Satire, 226–227. Lateinisch–Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Sven Lorenz (Berlin 2017).
Johann-Sebastian Kühlborn, Katalog Nr. 454 Adlerlampe. In: Mathias Hofter (Hrsg.), Kaiser Augustus und die verlorene Republik. Ausstellungskatalog Berlin (Mainz 1988) 603.
Römisch-Germanisches Museum (Hrsg.), Römer am Rhein. Ausstellungskatalog Köln (Köln 1967) bes. 250, C 226.
Siegmar von Schnurbein, Die Römer in Haltern. Einführung in die Vor- und Frühgeschichte Westfalens 2 (Münster 1979) bes. 66, Abb. 51.
Reinhard Stupperich, Untersuchungen zu den figürlichen römischen Metallarbeiten anhand der Importfunde aus dem freien Germanien (Habil. Westfälische Wilhelms-Universität Münster 1988) bes. 237–238.