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051 Klinenverzierung

Tod in Aliso – kunstvolle Ruhebetten für den Scheiterhaufen

Drei Verzierungen einer römischen Kline, das mittlere stellt ein Gesicht dar.

© LWL/Stefan Brentführer

Knochenschnitzerei für eine Kline

Fundort

Haltern am See

Kreis Recklinghausen


Fundumstände

Kontext: Römische Nekropole, Grab 22/2006

Datum: 2006


Objekt

Originalschnitzerei

Material: Rinderknochen

Höhe: 8 cm

Rekonstruktion

Material: Nylon, Eisen, Holz

Länge: 210,8 cm

Breite: 93,0 cm

Höhe: 103,6 cm


Datierung 

12 v. Chr.–16 n. Chr.

Epoche: Ältere römische Kaiserzeit

Kultur: Römisch


Import

Herstellungsregion: Etrurien (Italien)

Herstellungszeit: um Chr. Geb.

Tod in Aliso – kunstvolle Ruhebetten für den Scheiterhaufen

Die Wolken hingen tief über dem Annaberg und jeden Augenblick war wieder mit einem Schauer zu rechnen. Das Wetter in Aliso war kalt und regnerisch geworden und dem Anlass angemessen. Nach dem langen Aufenthalt im Freien fröstelte die Trauergemeinde, die um den Scheiterhaufen stand. Man hatte den Verstorbenen in einer aufwendigen Prozession, aufgebahrt auf seinem Bett, von seinem Haus über die nach Westen führende Straße getragen. Zwischen den vorhandenen Grabmonumenten stand bereits der Scheiterhaufen, auf den man die Kline mit dem darauf liegenden Toten platzierte. Die Trauergemeinde hatte ihre Liebesgaben auf und in unmittelbarer Nähe des Scheiterhaufens abgestellt und anschließend waren in großen Mengen Wein und vor allem Olivenöl aus Amphoren über die Konstruktion verspritzt worden. Alles war nun bereit für den großen Augenblick: Der Scheiterhaufen wurde angesteckt und das Feuer fand in dem Olivenöl genügend Nahrung. Schnell wurde der Leichnam von den Flammen eingehüllt und entzog sich so den Blicken der Trauernden. Diese standen noch eine Zeit lang um die brennende Konstruktion, bevor sich die Gemeinde auflöste und auf den Weg zurück ins Warme machte. Das Herunterbrennen des Scheiterhaufens würde Stunden, wenn nicht gar Tage brauchen. Helfer würden das Feuer schüren, damit gewährleistet war, dass alles so gut wie möglich verbrannte, erst dann würde man es verlöschen lassen. Nach dem Erkalten würde man die Überreste des Toten in einer Urne im Bereich des Scheiterhaufens beisetzen.

So oder so ähnlich wird man sich den Ablauf einer römischen Beerdigung im Römerlager Aliso (Haltern am See?) in den Jahren um die Zeitenwende vorstellen können. Wichtig bei dieser Zeremonie waren das Aufbahren des Leichnams auf einem Ruhebett, einer Kline, die Totenprozession, die sogenannte pompa funebris, das abschließende Verbrennen zusammen mit den Beigaben und das Bestatten der menschlichen Überreste in der Erde. Die Errichtung eines richtigen Grabmonumentes über dem Ort der Beisetzung war, wie heute auch, sicher abhängig von der Größe des Geldbeutels oder von dem Wunsch getrieben, an sich selber oder an jemand anders dauerhaft zu erinnern.

Viele der Beigaben verbrannten zusammen mit dem Verstorbenen oder sind im Laufe der Jahrhunderte vergangen. Erhalten haben sich jedoch die Reste von Amphoren oder Krügen und die Überreste der Ruhebetten, auf denen die Verstorbenen aufgebahrt waren. Diese waren mit filigranen Knochenschnitzereien und Blattgoldauflagen verziert und gehören mit zu den anspruchsvollsten kunsthandwerklichen Arbeiten römischer Handwerker, die wir aus den römischen Anlagen von Haltern kennen, wie die aufwendige Rekonstruktion der Kline zeigt.

Stephan Berke

Museum

Originalschnitzerei und Rekonstruktion: LWL-Römermuseum, Haltern am See

Weiterführende oder zitierte Literatur

Stephan Berke/Dirk Sander, Klinen mit Beinschnitzereien aus der römischen Nekropole von Haltern am See. Archäologie in Westfalen-Lippe 2010, 2011, 268–272.

Stephan Berke/Lina Pak/Sebastian Pechtold/Morris Vianden, Die römische Kline aus Haltern. In: Thomas Otten u.a. (Hrsg.), Archäologie in NRW 2010–2015. Forschungen, Funde, Methoden. Ausstellungskatalog Köln, Detmold, Herne. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 11,2 (Darmstadt 2015) 67–70.

Stephan Berke/Lina Pak/Morris Vianden, Wie man sich bettet, so liegt man: »Auferstehung« einer römischen Kline. Archäologie in Deutschland 2016/2, 64–65.

Lina Pak/Klaus Sundermann/Sebastian Pechtold, Fertigstellung der 3-D-Rekonstruktion einer römischen Kline aus Haltern am See. Archäologie in Westfalen-Lippe 2015, 2016, 254–257.

Liege mit zwei Seitenlehnen, mit Schnitzereien verzierten Beinen und einer roten Polsterauflage

Die Rekonstruktion der Kline mit den eingesetzten Schnitzereien. © LWL/Stefan Brentführer

Video

In einem Video haben wir die Rekonstruktion des römischen Totenbettes begleitet. Es zeigt den Weg der Einzelteile vom Fundplatz in Haltern am See, über die aufwendige Puzzlearbeit der Restauratoren und den Einsatz von 3-D-Technik bis zur fertigen Kline. Der Film dauert ca. 6 Minuten.