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100 Taschenlampe

Schlusslicht! Plastik und die Archäologie der Moderne

Winkeltaschenlampe »Fulton MX991/U«

Fundort

Borgentreich-Bühne

Kreis Höxter

 

Fundumstände

Kontext: Einzelfund

Datum: 7. Juli 2015

 

Objekt

Material: Kunststoff, Gummi, Eisen

Höhe: 17,8 cm

Durchmesser: 4,2 cm

Breite (am Kopf): 7,8 cm

 

Datierung

Mitte 1950er- bis Ende 1960er-Jahre

Epoche: Moderne

 

Import

Herstellungsort: Wauseon, Ohio (USA)

Herstellungszeit: Mitte 1950er- bis Ende 1960er-Jahre

Schlusslicht! Plastik und die Archäologie der Moderne

Stein, Keramik, Metall – daraus besteht die Mehrheit archäologischer Funde. Diese Materialien sind vielseitig verwendbar und erhalten sich über Jahrtausende im Erdboden. Typisch für die jüngste Vergangenheit ist dagegen ein ganz anderer Stoff: Plastik! »Plastik« klingt nach billigen und bedeutungslosen Massenprodukten, die schnell zu problematischem »Plastikmüll« werden. Die Archäologie der Moderne, also des 19. und 20. Jahrhunderts, konfrontiert uns mit völlig neuen Funden – sie sind häufig weder aus kostbaren Materialien noch kunstvoll gearbeitet und obendrein nicht einmal sonderlich alt. Ein Beispiel ist dieser Fund, bei dem es sich um industriell gefertigte Massenware handelt – und der dennoch eine Geschichte erzählt.

Die knapp 18 cm lange Winkeltaschenlampe besteht aus einem runden Kunststoffgehäuse mit beidseitigen Prägungen, die eine genaue Zuordnung erlauben: eine Taschenlampe des Typs »MX991/U«, hergestellt von der Firma Fulton Industries Inc. in den USA. Bevor der Schraubdeckel des Batteriefachs verloren ging, verhinderte ein Gummiring das Eindringen von Feuchtigkeit. Die Abdeckung des Schalters fehlt ebenso wie der Schraubring des Lampenkopfes. Vor die Kunststoffscheibe ließen sich verschiedene Filter setzen, etwa eine rote Blende als Notsignal. Ob die Taschenlampe verloren ging oder weggeworfen wurde, wissen wir heute nicht; der eiserne Gürtelclip ist jedenfalls so verbogen, dass er keinen sicheren Halt mehr bot. 

Die besonders robuste Bauweise hat einen einfachen Hintergrund: Die Taschenlampe wurde während des Vietnamkrieges eigens für die US-Armee entwickelt. Fulton Industries stellte diese Leuchten je nach Zielgruppe in unterschiedlichen Gehäusefarben her: Grau war das Militär-Modell, das vor allem von der Air Force verwendetet wurde. Noch heute produziert die Firma weiterentwickelte, aber sehr ähnlich aussehende Winkeltaschenlampen. 

Wie aber mag die Taschenlampe in das Waldstück bei Borgentreich gelangt sein? Von den 1950er- bis zum Beginn der 1990er-Jahre fanden im Großraum Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen – so auch im Kreis Höxter – häufig multinationale Truppenübungen der NATO-Partner statt. Hier sind wiederholt auch US-Soldaten eingesetzt worden, sodass immer noch Relikte aus dieser Zeit zu finden sind. 

Die Taschenlampe ist als Elektrogerät ein typisches Objekt der Moderne. Wie jeder archäologische Fund ist sie aber auch ein stummer Zeuge einer Epoche: Sie steht sinnbildlich für internationale Allianzen in einer Zeit des globalen Wettrüstens und des atomaren Schreckens.

Nils Wolpert, Tobias Schade, Fritz Jürgens

Weiterführende oder zitierte Literatur

Deutscher Verband für Archäologie (Hrsg.), Schwerpunktthema »Archäologie der Moderne«. Blickpunkt Archäologie 4/2017, 2018, 236–283. <https://pfeil-verlag.de/publikationen/blickpunkt-archaeologie-2017/>.

Paul Graves-Brown/Rodney Harrison/Angela Piccini (Hrsg.), The Oxford Handbook of the Archaeology of the Contemporary World (Oxford 2013).

Cornelius Holtorf/Angela Piccini (Hrsg.), Contemporary Archaeologies. Excavating Now (Frankfurt 2009). 

Fritz Jürgens/Tobias Schade/Nils Wolpert, Ist das Müll oder kann das weg? Die Relikte eines Truppenmanövers der Nachkriegszeit bei Borgentreich (Kr. Höxter). Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 30, 2017, 251–262.

John Schofield/Wayne Cocroft (Hrsg.), A Fearsome Heritage. Diverse Legacies of The Cold War (Walnut Creek 2007).

Industriell gefertigte Winkeltaschenlampe, bestehend aus einem runden grauen Kunststoffgehäuse mit beidseitiger Prägung der Firma Fulton Industries.

© LWL/Stefan Brentführer