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090 Ofenkachel

»Nun sag, wie hast du's mit der Religion?« – das Bekenntnis auf dem Kachelofen

Ofenkachel mit Darstellung des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg

Fundort

Höxter, Rodewiekstraße 14

Kreis Höxter


Fundumstände

Kontext: Keller eines Wohnhauses

Datum: Juli 1988


Objekt

Material: Irdenware

Höhe: 33,5 cm

Breite: 21,5 cm

Tiefe: 6,8 cm


Datierung 

um 1547

Epoche: Frühneuzeit

Stilepoche: Renaissance

»Nun sag, wie hast du's mit der Religion?« – das Bekenntnis auf dem Kachelofen

Das Jahr 1533 begann in Höxter mit einem politischen Paukenschlag: Auf einer Versammlung vor dem Rathaus erzwangen die Bürger gegen den ausdrücklichen Willen des Rates die Einführung des Protestantismus. Dem Ereignis vorausgegangen war ein Aufenthalt des hessischen Landgrafen Philipp I. in der Stadt, bei dem er die Höxteraner ermutigt hatte, den neuen Glauben anzunehmen. Er war ein einflussreicher Schutzherr des Ortes und zählte zu den bedeutendsten Vertretern der Reformation im Reich. Viele, vor allem die unterprivilegierten Einwohner, versprachen sich von dem Glaubensübertritt eine Verbesserung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Situation.

Bezeichnenderweise stammt eines der seltenen materiellen Zeugnisse dieser historischen Ereignisse aus dem bescheidenen, 1547 errichteten Handwerkerhaus Rodewiekstraße 14: Dessen nicht namentlich überlieferter Bauherr ließ sich im als Wohn- und Schlafraum genutzten Hinterhaus einen Kachelofen setzen. Zwar hat dieser nicht bis in unsere Zeit überdauert, da der Gebäudeteil um 1600 abgebrochen wurde, doch wurden bei Ausgrabungen zahlreiche seiner Kacheln geborgen.

Aufgrund der gefundenen Überreste wissen wir, dass der Ofen einen Unter- und Oberbau aus preiswerten Schüsselkacheln hatte. Als besondere Schmuckstücke waren aber noch mindestens zwei reliefverzierte, farbige Blattkacheln im Oberbau eingebaut. Somit stand zwar vor allem das gewünschte rauchfreie Heizen mittels eines relativ einfachen Kachelofens im Vordergrund, doch nutzte der Hausbesitzer zugleich die Gelegenheit, die Wärmequelle durch teurere Bildkacheln aufzuwerten.

Dargestellt sind auf der mehrfarbigen Blattkachel Kurfürst Joachim II. von Brandenburg und auf einem grünen Exemplar vermutlich seine Schwägerin Christina von Sachsen, Gemahlin Philipps I. von Hessen. Joachim II. gilt ebenso wie der hessische Landgraf als zentrale Figur der Reformation. Indem der Hausherr sich also für diese beiden Personen als Bildschmuck in seinem Heim entschied, demonstrierte er sein Bekenntnis zum neuen Glauben, gut sichtbar für jeden, der den Wohnraum betrat.

Die beiden höxterschen Funde gehören zu einer Gruppe von Ofenkacheln der ersten Hälfte und Mitte des 16. Jahrhunderts, die durch Porträts protestantischer Herrscher und Reformatoren, Darstellungen aus der lutherischen Rechtfertigungslehre oder antikatholische Polemik in den damals aktuellen religiösen und politischen Auseinandersetzungen eindeutig Stellung bezogen. Jedem Zeitgenossen, der diese Motive sah, war sofort klar: Hier wohnt ein Protestant! Etwa 70 Jahre nach der Kachelherstellung gipfelte der Streit um den rechten Glauben 1618 im Dreißigjährigen Krieg.

Julia Hallenkamp-Lumpe, Andreas König

Archiv

Stadtarchäologie Höxter (nicht öffentlich zugänglich)

Weiterführende oder zitierte Literatur

Julia Hallenkamp-Lumpe, Studien zur Ofenkeramik des 12. bis 17. Jahrhunderts anhand von Bodenfunden aus Westfalen-Lippe. Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 42 (Mainz 2006).

Julia Hallenkamp-Lumpe, Das Bekenntnis am Kachelofen? Überlegungen zu den sogenannten »Reformationskacheln«. In: Carola Jäggi/Jörn Staecker (Hrsg.), Archäologie der Reformation. Studien zu den Auswirkungen des Konfessionswechsels auf die materielle Kultur. Arbeiten zur Kirchengeschichte Band 104 (Berlin 2007) 323–343.

Andreas König, Archäologische Stadtkernuntersuchungen 1988 in Höxter a. d. Weser. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 8/B, 1993, 207–229.

Hans-Werner Peine, Nutzen und Ideologie: Mittelalterliche und frühneuzeitliche Ofenkeramik in Westfalen. In: Heinz Günter Horn u.a. (Hrsg.), Fundort Nordrhein-Westfalen. Millionen Jahre Geschichte. Ausstellungskatalog Köln, Münster. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen Band 5 (Mainz 2000) 417–420.

Hans-Georg Stephan, Keramik der Renaissance im Oberweserraum und an der unteren Werra. Beiträge der Archäologie zur Erforschung der Sachkultur der frühen Neuzeit. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Beiheft 7 (Köln 1992).

Rechteckige Ofenkachel, die bunt glasiert ist und in der Mitte einen Mann zeigt, der einen großen Schlüssel hält.

© LWL/Stefan Brentführer