059 Stützarmfibel
Den Helfern sei Dank! Ein Sondenfund macht Geschichte
Stützarmfibel
Fundort
Werther-Isingdorf
Kreis Gütersloh
Fundumstände
Kontext: Einzelfund
Datum: 2001
Objekt
Material: Bronze
Länge: 7 cm
Breite: 5 cm
Gewicht: 82,15 g
Datierung
380–420
Epoche: Völkerwanderungszeit
Den Helfern sei Dank! Ein Sondenfund macht Geschichte
Lange schien es, als hätten sich die in Westfalen lebenden Gemeinschaften germanischer Kultur auf ihrem Ruhm ausgeruht, nicht dauerhaft von den Römern erobert worden zu sein. Man blieb vermeintlich lieber unter sich, zurückgezogen – und aus archäologischer Perspektive unsichtbar. Fast ganz Westfalen war ein weißer Fleck, bezogen auf die Verteilung von Funden aus der spätrömischen Kaiserzeit. Dieses Bild, das lange Zeit die archäologische Forschung prägte, ändert sich aber allmählich; mehr und mehr Funde aus dieser Epoche werden entdeckt.
Ein Schlüsselfund hat erheblich zu der veränderten Sicht beigetragen: Im April 2001 zeigte der lizenzierte Sondengänger Ralf Bleymüller Mitarbeitern der Außenstelle Bielefeld eine Gewandschließe von besonderer Qualität, die er mit seinem Metalldetektor gefunden hatte. Die außergewöhnlich schwere Fibel hatte in der Zeit um 400 n. Chr. einen Umhang oder Mantel aus schwerem Stoff verschlossen. Solche massiven Exemplare, aufgrund ihrer Form »Stützarmfibeln« genannt, wurden von hochrangigen germanischen Kriegern getragen, die militärische Einheiten in römischen Diensten anführten. Hergestellt wurden sie nach bisherigen Erkenntnissen in römischen Werkstätten extra für den Geschmack der regionalen Bevölkerung, als Rangabzeichen, nicht als Handelsware.
Ein Einzelfund spricht zunächst nur dafür, dass ein entsprechend dekorierter Kriegsherr in Nordwestfalen unterwegs war. Vielleicht war er auf der Durchreise Richtung Norden, wo im Elbe-Weser-Dreieck mehrere solcher Objekte aus Gräbern geborgen wurden? In der Folgezeit kamen aber zahlreiche weitere Stücke in Westfalen zutage, vor allem entlang des Hellwegs, was aber sicherlich auch damit zu tun hat, dass hier viele Metallsondengänger unterwegs sind. Die Menge an Funden belegt inzwischen, dass die hier lebende Bevölkerung durchaus an römischen Militäraktionen beteiligt war, und zwar in erheblichem Maße. Zahlreiche jüngere Varianten von Stützarmfibeln, vor allem kleinere, leichtere Formen, sind später vermutlich auch von Frauen getragen worden. Ein echter Modehit.
Da im 4. und 5. Jahrhundert in Westfalen nur wenige Objekte in Gräber gelangten, werden derartige Funde kaum bei regulären Ausgrabungen gefunden, auch bei Siedlungsgrabungen sind sie sehr selten. Zu verdanken haben die Archäologen die neuen Erkenntnisse daher in erster Linie den Aktivitäten von ehrenamtlichen Sondengängern, die unzählige Stunden ihrer Freizeit investieren. Sie besitzen eine offizielle Suchgenehmigung, arbeiten eng mit der amtlichen Bodendenkmalpflege zusammen und melden regelmäßig ihre Metallfunde. Auf diese Weise können sie – im Gegensatz zu illegal entdeckten Funden – wissenschaftlich ausgewertet werden und so Geschichte schreiben.
Vera Brieske
Museum
LWL-Museum für Archäologie, Herne
Weiterführende oder zitierte Literatur
Horst Wolfgang Böhme, Germanische Grabfunde des 4. bis 5. Jahrhunderts zwischen unterer Elbe und Loire. Studien zur Chronologie und Bevölkerungsgeschichte. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 19 (München 1974).
Vera Brieske, Eine spätrömische Stützarmfibel aus Werther-Isingdorf, Kreis Gütersloh. Archäologie in Ostwestfalen 6, 2001, 44–47.
Vera Brieske, Neue Funde spätkaiserzeitlicher Stützarmfibeln aus Westfalen. Archäologie in Westfalen-Lippe 2010, 2011, 103–106.
Vera Brieske, Völkerwanderungszeitliche Stützarmfibeln mit stabförmigem Bügel und Rechteckfuß. Überlegungen zur Typologie und Verbreitung eines Statussymbols. In: Hans-Otto Pollmann (Hrsg.), Archäologische Rückblicke. Festschrift Daniel Bérenger. Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie 254 (Bonn 2014) 219–236.
Joachim Werner, Kriegergräber aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts zwischen Schelde und Weser. Bonner Jahrbücher 158, 1958, 372–413.